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"Das hat den Erfolg im vergangenen Jahr erst ermöglicht"

Zu Beginn des Trainingslagers in Benidorm haben wir uns ausführlich mit James Lawrence unterhalten. Dabei ging es nicht nur um die vergangene Hinserie, das Trainingslager und die kommenden sportlichen Aufgaben, sondern auch um das Dilemma, vor das eine Weltmeisterschaft in Katar die Spieler stellt.

Wie hast Du die kurze Winterpause verbracht?

Ich war bei meiner Familie in Amsterdam. Meine Eltern leben dort und das in dann quasi mein Zuhause. Weihnachten habe ich mit ihnen, meiner Großmutter und meinem Bruder verbracht. Anschließend sind wir alle gemeinsam nach Hamburg gekommen. Meine Großmutter war schon lange nicht mehr da. Es war schön, dass wir noch etwas Zeit zusammen verbringen konnten.

Hattest Du in der Pause die Gelegenheit, das letzte Jahr ein bisschen Revue passieren zu lassen?

Ich betrachte das ein bisschen anders. Denn es ist zwar das Ende des Jahres, aber erst die Hälfte der Saison. Deswegen gilt meine Konzentration eher der zweiten Saisonhälfte und nicht so sehr dem vergangenen Jahr. Ich denke da mehr in Spielzeiten als in Kalenderjahren.

Wie hast Du denn die erste Saisonhälfte erlebt? Es war sicher nicht ganz einfach für Dich.

Es war nicht leicht, nach der Verletzung, die ich mir bei der Nationalmannschaft zugezogen habe, zurückzukommen. Dadurch habe ich auch die EM verpasst und musste das auch erstmal verarbeiten. Richtig fit war ich erst wieder, als die Saison schon lief. Dann musste ich damit klarkommen, dass ich zwar fit war, es für mich aber keinen Platz in der Startelf gab. Das war nachvollziehbar, weil das Team sehr gut spielte. Deswegen war ich auch nicht unglücklich, weil ich mich über den Erfolg gefreut habe. Aber individuell betrachtet wollte ich natürlich spielen. Ich wusste aber auch, dass über die Saison hinweg alle Spieler gebraucht werden und ich meine Einsätze bekommen würde. Die Gelegenheit bekam ich dann zum Ende der Hinrunde.

Nicht nur auf Deiner Position in der Innenverteidigung gibt es diesen Konkurrenzkampf, sondern im gesamten Team. Wie nimmst Du diese Situation wahr?

Ich glaube, man braucht diesen Wettkampf in der Mannschaft. Alle pushen sich gegenseitig und die Konkurrenz sorgt für Motivation. Wenn ich es nicht besser mache als mein Mitspieler, wird er auflaufen. Das gilt für alle Positionen bei uns und bringt uns weiter.

Siehst Du das als wesentlichen Erfolgsfaktor oder gibt es darüber hinaus noch andere Gründe?

Nein, das gibt uns nur noch einen zusätzlichen Schub. Die Grundlagen haben wir schon zu Beginn der letzten Saison gelegt. Das hat den Erfolg im vergangenen Jahr erst ermöglicht.

Nachdem Du die EM mit Wales aufgrund Deiner Verletzung verpasst hast, habt Ihr jetzt die Chance, Euch für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Wie fühlt sich das an?

Das ist vor allem aufregend. Allerdings war es auch bei der Nationalmannschaft nicht ganz leicht für mich. Ich habe nicht besonders viel gespielt, war aber trotzdem Teil des Teams und habe den gemeinsamen Weg miterlebt. Wir haben noch zwei schwere Spiele gegen gute Gegner vor uns. Aber die Qualifikation und die Möglichkeit, zu einer WM zu reisen, wäre ein Traum. Im Moment konzentriere ich mich aber komplett auf St. Pauli, im März kann ich mich dann mit der Nationalmannschaft beschäftigen. Es wird in jedem Fall eine sehr aufregende zweite Saisonhälfte, weil es die Chance gibt, viel zu erreichen. Und ich werde alles dafür tun.

Trübt es die Freude, dass Ihr Euch für eine WM in Katar qualifizieren würdet? Schließlich steht das Gastgeberland aufgrund vieler Themen zurecht in der Kritik.

Als Spieler wird eine Weltmeisterschaft immer in der Hinsicht eine Weltmeisterschaft bleiben, als dass es ein unglaublicher Erfolg ist, sie zu erreichen. Darüber wird man sich auch immer freuen. Für viele ist es eine Chance, die man vielleicht nur einmal im Leben bekommt. Aber das, was dort passiert ist und noch immer passiert, schwingt immer mit und überschattet alles. Die Weltmeisterschaft ist mein Traum und der Traum aller Spieler. Deswegen kann ich nicht sagen, dass ich nicht teilnehmen würde, weil sie in Katar stattfindet. Gleichzeitig läuft vieles dort falsch, weswegen ich das ganze Thema mit sehr gemischten Gefühlen sehe. Es ist schwer, damit umzugehen. Wäre es für mich ok, so etwas zu promoten? Denn das würde eine Teilnahme auch bedeuten. Ich denke, das geht vielen Spielern so. Man schwankt zwischen dem, was man für richtig hält, und einer Sache, auf die man sein Leben lang hingearbeitet hat.

Auch Corona überschattet alles, was aktuell passiert. Ihr spielt eine tolle Saison, hattet aber noch kein Spiel in einem ausverkauften Stadion. Im ersten Lockdown hast Du die Situation noch mit Humor genommen – wir erinnern uns an das Curling-Video mit dem Saugroboter. Hat sich Deine Perspektive inzwischen geändert?

Damals dachte ich nicht, dass wir auch heute noch in einer ähnlichen Situation sein würden. Es gibt eine neue Variante, viel mehr Fälle und es wirkt so, als ob es wieder schlimmer wird. Dass wir überhaupt vor Fans spielen konnten, wenn auch nicht in einem vollen Stadion und auch nicht über einen besonders langen Zeitraum, war trotzdem ein positives Erlebnis. Es erinnert uns daran, wie viel Spaß es macht, wenn die Fans da sind, um uns zu unterstützen. Wir hätten natürlich lieber ein volles Stadion – gerade bei den großartigen Spielen, die jetzt anstehen. Wir können aber nicht viel tun, außer weiterhin das Beste aus der Situation zu machen.

Kommen wir zum Hier und Jetzt. Wie ist Dein erster Eindruck von den Bedingungen hier vor Ort?

Ich habe die Plätze und einen Teil der Anlage gesehen und viel Essen (lacht). So ein Ortswechsel ist schön und auch wieder ein bisschen in der Sonne zu sein. Das ist immer gut für den Kopf. Es ist eine wichtige Woche für uns, die nichts mit Urlaub zu tun hat. Wir haben eine Aufgabe und unser nächstes Spiel ist nur noch zwei Wochen entfernt. Wir müssen die kurze Zeit so gut wie möglich nutzen, um auf die kommenden Spiele vorbereitet zu sein.

Vielen Dank für Deine Zeit, James!

 

(hbü)

Fotos: FC St. Pauli

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