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Als Keeper Tschauner per Kopf traf und das Millerntor Kopf stand

Heimspiele gegen Paderborn hatten in der Regel viel Spektakel zu bieten, was auch die insgesamt 41 Tore belegen, die in den bisherigen zwölf Spielen am Millerntor gefallen sind. Ein ganz besonderes und besonders seltenes Tor bestaunten die 28.278 Fans am 1. April 2013, als Keeper Philipp Tschauner in der letzten Minute nach vorne eilte und dem FC St. Pauli in sprichwörtlich letzter Sekunde per Kopf einen Zähler sicherte.

Nichts hatte an jenem 1. April auf solch ein verrücktes Ende hingedeutet. Beide Mannschaften, die in der Vorsaison noch um den Aufstieg mitgespielt hatten, nun aber im Tabellenmittelfeld rumdümpelten, hatten den Zuschauer*innen bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt im ersten Durchgang nur wenig Erwärmendes geboten. Die einzige echte Torchance vergab Paderborns Daniel Brückner kurz vor der Pause. FCSP-Coach Michael Frontzeck konnte mit dem Auftritt seines Teams, das defensiv zwar wenig zuließ, nicht zufrieden sein.

Dass jener Frontzeck an jenem Montagabend an der Seitenlinie stand, war knapp zwei Wochen zuvor absolut nicht zu erwarten. In einem Trainingsspiel mischte er mit, nach einem heftigen Zusammenprall mit Torwart Philipp Tschauner hätte er sich sicherlich gewünscht, es nicht getan zu haben. Frontzeck krümmte sich vor Schmerzen und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Dort stellten die Ärzte zunächst einen dreifachen Rippenbruch fest, ehe sie bei einer weiteren Untersuchung zudem noch einen Riss in der Lunge diagnostizierten. Frontzeck musste am 20. März 2013 notoperiert werden, erholte sich aber schneller als gedacht und so verpasste er das Heimspiel gegen die Paderborner nicht.

Michael Frontzeck und Philipp Tschauner

Coach Michael Frontzeck (li.) und Keeper Philipp Tschauner (re.)

In der Halbzeitpause wird er die richtigen Worte gefunden haben, denn die Kiezkicker legten extrem druckvoll los. Fin Bartels verpasste zunächst noch frei vor Lukas Kruse die Führung (48.), wenig später zielte Marius Ebbers genauer – das 1:0 (53.). Die Freude währte aber nur 180 Sekunden. Deniz Yilmaz ließ Tschauner im Eins-gegen-Eins keine Chance (56.). In der Folge ging es viel hin und her, inzwischen hatte das Spiel ein deutlich höheres Niveau erreicht als noch im ersten Durchgang. In der Schlussphase drehten zwei Ex-Kiezkicker die Partie dann zugunsten des SCP. Deniz Naki scheiterte zunächst noch am stark reagierenden Tschauner, der wenige Minuten zuvor eingewechselte Mahir Saglik verwertete aber den Abpraller (84.).

Nachdem die Kiezkicker zuvor bei Union Berlin mit 2:4 verloren hatten, drohte eine weitere Niederlage. Die galt es abzuwenden und so warf die Frontzeck-Elf alles nach vorne. In der letzten Minute holte Bartels noch mal eine Ecke heraus. Fast alle Kiezkicker postierten sich im Strafraum der Ostwestfalen. Dennis Daube wartete noch kurz mit der Hereingabe des Eckballs, denn Keeper Philipp Tschauner verließ sein Gehäuse und eilte mit nach vorne in den SCP-Strafraum. Daube brachte das Leder mit viel Schärfe perfekt in die Mitte. Für Innenverteidiger Florian Mohr kam der Ball etwas zu hoch, für den hinter Mohr einlaufenden Tschauner wiederum perfekt. Der Keeper stieg hoch und wuchtete den Ball nach exakt 89 Minuten und 55 Sekunden per Kopf in die Maschen. „Es war einfach Augen zu und durch. Ich habe nicht viel nachgedacht, bin einfach durchgelaufen, habe den Ball gesehen und ihn reingeköpft“, so der Keeper.

Philipp Tschauner beim Kopfball, Augenblicke später schlägt der Ball im Tor der Paderborner ein.

Bei Tschauners Kopfball konnte man im wahrsten Sinne von „Augen zu und durch“ sprechen.

Tschauner konnte sein Glück kaum fassen: „Ich habe erst überhaupt nicht kapiert, was gerade passiert ist.“ Wirklich zum Jubel ansetzen konnte der Keeper nicht, so ließen Florian Mohr und Markus Thorandt ihn nicht davonrennen, ehe nahezu alle Teamkollegen auf den Torwart sprangen, um dessen Treffer zum Ausgleich zu bejubeln. „Als Torwart überlegt man immer, wie es denn wohl ist, wenn man ein Tor erzielt. Jetzt weiß ich es. Es war Wahnsinn! Ein einzigartiges Gefühl, einfach unbeschreiblich“, so Tschauner zu seinem historischen Treffer, war es doch der bis dato erste und bis heute weiterhin einzige Treffer eines FCSP-Torwarts im Profifußball.

Und Frontzeck? Der wird beim Jubeln angesichts der Rippenverletzung sicherlich aufgepasst haben, nicht zu überschwenglich umarmt zu werden. An jenem 1. April scherzte er nach dem Abpfiff: „Tschauni kann mir jede Woche eine Rippe brechen, wenn er dann immer ein Tor erzielt.“ Dazu sollte es aber nicht noch mal kommen, was Frontzeck sicherlich verschmerzen konnte.

 

(hb)

Fotos: Witters

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