EIN FESTIVAL SCHREIBT GESCHICHTE
Donnerstag, 30. April 2015, 07:47 Uhr
Hallo Stephan, hallo Maarten! Eigentlich möchte 1910 e.V. doch ein FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade bauen. Ihr veranstaltet in Kooperation mit KIEZHELDEN ein Festival. Warum?
Stephan: Weil das Festival so ist, wie auch unser Museum sein wird: dynamisch, nicht (nur) statisch, kein muffiges Gemäuer, sondern etwas Lebendiges. Geschichte wird ständig geschrieben, und alle sollen daran Teil haben. Auch bei „Fußball und Liebe“ können alle mitmachen, ob nun als Helfer oder Besucher. Der Erfolg des ersten „Fußball und Liebe“-Festivals 2013 bestätigt außerdem, dass ein solches Festival den „St. Pauli-Geist“ transportiert, und das will unser Museum ja auch.
Was ist das Besondere am „Fußball und Liebe“-Festival?
Maarten: Die Vielfalt, die in dieser Form weltweit einzigartig sein dürfte. Zusammen mit dem Musik-, Film- und Literaturprogramm mit KünstlerInnen wie Tubbe, Le Fly, Dubtari, Frank Spilker, Roger Willemsen oder Frank Goosen steht bei uns ganz klar der Anti-Diskriminierungsaspekt im Vordergrund. So wird es z.B. auch ein Fußballspiel zwischen den Refugee-Teams FC Lampedusa Hamburg und United Glasgow FC geben und mehrere Talkrunden mit Kooperationspartnern wie dem Aktionsbündnis gegen Sexismus und Homophobie. Für uns steht fest: Das Thema „Fußball und Liebe“ hat nur eine Chance, wenn wir uns ihm immer wieder neu annehmen und versuchen, Diskriminierungen jeglicher Art bei uns und anderswo zu unterbinden.
Stephan: Besonders ist auch, dass das Festival nicht nur Fußball ist, sondern St. Pauli als Ganzes widerspiegelt: den Verein, seine Fans, den Stadtteil – an einem Ort, der mitten im Viertel liegt.
Was ist neu gegenüber 2013?
Stephan: Für uns „1910er“ besonders schön: Wir können diesmal auch die zukünftige Museumsfläche bespielen! So hat jeder die Möglichkeit, schon mal einen Blick in das zukünftige FC St. Pauli-Museum zu werfen. Daran war vor zwei Jahren noch nicht zu denken.
Maarten: Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Programm noch vielseitiger und internationaler zu gestalten. In diesem Jahr wird es daher u.a. zum ersten Mal eine internationale Talkrunde über „Football, self-organization and social movements” geben, mit TeilnehmerInnen wie Showan Shattak („Fußballfans gegen Homophobie” / Schweden) oder Alan White von United Glasgow FC. Auf der anderen Seite ist es uns aber auch wichtig, den Stadtteil nicht aus den Augen zu verlieren. Neben KünstlerInnen und AktivistInnen aus dem Viertel wie Margit Czenki, Tina Fritsche, TemmyTon oder Nesthocker wird das besonders bei den Ausstellungen in der Museumsfläche unter dem Motto „Das Viertel ins Stadion tragen” deutlich. Hierfür konnten wir z.B. die beiden bekannten Stadtteilfotografen Frank Egel und Hinrich Schultze gewinnen.
Stephan, Du bist Projektleiter, Maarten, Du gehörst zum Kuratoriums-Team. Was sind Eure Aufgaben beim Festival?
Maarten: Das Kuratoriums-Team hat die Aufgabe, die einzelnen programmatischen Teilbereiche mit Leben zu füllen. Der eine kümmert sich z.B. um die Ausgestaltung des Literaturprogramms, die andere eher um das Zusammentragen der Ausstellungsobjekte. Doch am Ende geht es schließlich darum, die einzelnen Puzzleteile zu einem großen Ganzen zu verbinden. Das ist nur gemeinsam möglich und bedarf untereinander im Kuratoriums-Team sehr viel Abstimmung.
Stephan: Ich kümmere mich darum, dass alles da ist, was benötigt wird: von der Technik bis zum Besen. Und ich versuche den Überblick zu behalten, damit alles läuft.
Habt Ihr persönliche Festival-Highlights, auf die Ihr Euch besonders freut?
Maarten: Neben dem Wiedersehen mit altbekannten Gesichtern von United Glasgow oder dem FC St. Pauli Fanclub Catalunya freue ich mich besonders über die Möglichkeit, sich treiben zu lassen und Neues im eigenen Stadion auf diese einmalige Weise entdecken zu können.
Stephan: Ein Highlight für mich ist Roger Willemsen. Und die Auftritte von Dubtari und den Wakes und, und, und ... Das ist so viel, dass ich gar nicht alle nennen kann.
Was sind eure persönlichen „Moments in Love“ zum FC St. Pauli - gibt es Tage oder Situationen, die da besonders hervorragen?
Stephan: Oh, da gibt es einige (lacht) – das fängt an mit einem YNWA meiner Freunde zum 18. Geburtstag (St. Paulianer), und das gilt heute noch, fast 30 Jahre später. Oder der Sonderzug nach Aachen damals, der so lang war, dass er nicht mehr in die Bahnhöfe passte. Oder das Bierchen mit den Spielern im alten Clubheim. Oder auch die Demo nach dem Sandhausen-Spiel 2013, wo Zehntausende St. Paulianer durchs Viertel gezogen sind für die Flüchtlinge. All das sind „Moments in Love“ für mich.
Maarten: Meine „Moments in Love“ beim FC St. Pauli haben eher weniger mit sportlichen Aspekten und mehr mit Aktivitäten der Fanszene zu tun. Eine schöne fußballerische Ausnahme bleibt für mich aber der Bundesligaaufstieg von ein paar Jahren, den die Mannschaft in Fürth perfekt gemacht hat. Die wundervolle Motto-Sonderzugfahrt und das anschließende Feiern mit der Mannschaft auf dem Platz bleiben für mich solche einmaligen Momente. An diesem Tag stimmte einfach alles. Sehr emotional habe ich aber immer Momente wahrgenommen, an denen die Fanszene auf unterschiedlichste Art und Weise gegen Diskriminierung gekämpft oder sich für eigene Projekte eingesetzt hat – wie auch für die Idee eines eigenen Vereinsmuseums in der Gegengerade statt der damals geplanten „Goliathwache“. Solche Momente waren und sind für mich heute noch prägend und sind ein wichtiger Grund, warum ich so gerne zum FC St. Pauli gehe.
Wie kann ich das „Fußball und Liebe“-Festival unterstützen?
Stephan: Weitersagen, hingehen, entdecken (lacht)! Der Eintritt ist frei, aber Spenden sind erwünscht und wichtig, denn eventuelle Überschüsse gehen zu 100 Prozent in den Museumsbau.
Vielen Dank und alles Gute für das Festival!