Freibeuter1910
Freitag, 03. August 2012, 13:03 Uhr
Liebe Freibeuter, Ihr seid ein sehr aktiver und bekannter Fanclub aus der Dresdener Neustadt. Erzählt doch mal, was ist das Besondere an Eurem Club? Wofür steht Ihr?
Das Besondere ist die Mischung. Wir sind Ansprechpartner für alle St. Pauli-Fans, die in Dresden und Umgebung leben. Wir schließen keinen aus. Deswegen sind wir auch sehr bunt: Manche bevorzugen die Südkurve und Dauersupport, manche halten das Bier in der Hand und meckern vornehmlich. Die einen haben 1989 in der Neustadt Häuser besetzt, die anderen harrten da noch ihrer Zeugung. Auch hinsichtlich der weiteren Vereinslieben sind wir tolerant: Einige drücken dem Dresdner SC im Heinz-Steyer-Stadion die Daumen, andere Dynamo oder Hansa Rostock. Einen Banker haben wir allerdings nicht in unseren Reihen. Unser Anspruch ist, unsere Liebe zu St. Pauli in der gesamten Vielfalt auszuleben. Wir wollen nicht nur Fahrten organisieren, sondern uns einbringen. Das Engagement aktiver Fans und solcher Institutionen wie des Fanladens und des Fanclubsprecherrats macht St. Pauli aus.
Wann und wie kam es zur Gründung der Freibeuter1910 DD-Neustadt?
Gegründet wurde der Fanclub 2007 von einer Gruppe Punkrockern, die sich seit Ende der 80er kennen. Sie fuhren immer wieder zu St. Pauli-Spielen. Irgendwann gab es die Idee, dies in festere organisatorische Formen zu gießen. Dieser Prozess dauerte aber über ein Jahr. Mittlerweile sind wir 15 Mitglieder. Hinzu kommt ein Sympathisantenkreis von mehreren Dutzend, welcher für Fahrten und andere Aktionen ebenfalls zu mobilisieren ist. Der erste Teil unseres Namens dürfte selbsterklärend sein. Der zweite Teil drückt unsere Verbundenheit mit dem Viertel aus.
Trefft Ihr Euch regelmäßig und wenn ja, habt Ihr sowas wie eine Stammkneipe in der Neustadt? Gibt es noch andere Aktivitäten, die Ihr als Club zusammen unternehmt?
Wir sehen uns ständig. Das liegt daran, dass wir mit dem Pawlow, auch als Menschenfalle bezeichnet, tatsächlich eine Stammkneipe haben. Wer diese Punkrockkneipe im Herzen der Neustadt besucht, wird immer Freibeuter antreffen. Durch diesen Anlaufpunkt haben wir ein intensives Fanclubleben, ob es nun das Pöbeln am Tresen ist oder die Planung von Ausflügen jenseits der Grenzen der Bunten Republik Neustadt. Wir nehmen zum Beispiel häufig an Fanclub-Turnieren teil, erst kürzlich am antirassistischen Turnier, welches die Fanszene des Dresdner SC in der Friedrichstadt organisierte. Am Vorabend haben wir zu diesem Anlass eine Eröffnungsparty im Pawlow veranstaltet, mit der wunderbaren Dresdner Punkrockband Zuckerbrot und Peitsche.
Vom Millerntor-Stadion bis in die Dresdener Neustadt sind es etwa 500 km. Um zu einem Heimspiel der Braun-Weißen zu kommen, müsst Ihr eine lange Reise auf Euch nehmen. Aue ist hingegen nur knappe 100 km von Eurer Haustür entfernt. Seht Ihr die Partie am Freitag ein bisschen als Euer persönliches Heimspiel an?
Nein, trotz der Entfernung ans Millerntor sind nur die Spiele auf St. Pauli für uns Heimspiele. Wenn wir unsere Freundinnen und Freunde in unserer dortigen Stammkneipe Millerntoreck umarmen, wenn wir im Jolly Roger den Kahlrasierten Frisurtipps geben („Lasst euch mal Haare wachsen!“), wenn wir am AFM-Container mit Bekannten schnacken, wenn Hells Bells ertönt, wenn Wechselgesänge im Millerntor die Tribünen erbeben lassen, dann fühlen wir uns heimisch. Aue ist in der Tat eine kurze Auswärtsfahrt und hat zudem ein größtenteils sehr sympathisches Publikum. Aber ein Heimspiel fühlt sich anders an.
Wie viele Leute sind am Freitag mit in Aue? Habt Ihr etwas Besonderes für den Abend geplant?
Knapp dreißig St. Pauli-Fans werden aus der Dresdner Neustadt gesammelt nach Aue fahren. Unsere Freundinnen und Freunde von den Sternschnuppen haben ab Görlitz einen Bus organisiert und nehmen uns am Bahnhof Neustadt auf. The same procedure as last year! Nach dem Spiel werden wir, wenn der Busfahrer das Navi richtig bedient, gen Osten heimwärts fahren. Weinend vor Freude. Ob St. Pauli gewinnt oder verliert ist ungewiss, eines ist aber sicher: Wir werden gerührt sein. Aufgrund schöner Begegnungen, wegen der Atmosphäre. Und hoffentlich mit lauter Leuten im Block, die wissen, was St. Pauli ausmacht. Homophobe Ausfälle, sexistische Entgleisungen und rassistische Äußerungen werden niemals inmitten des Fanblocks geduldet werden, ansonsten werden auch wir Freudetrunkenen aus der Neustadt leicht ungemütlich. Den Abend werden die Freibeuter 1910 im Pawlow am Tresen ausklingen lassen. Ob sich gegenseitig tröstend, auf der Theke tanzend, die nächste Auswärtstour planend, das eben Erlebte besprechend, das wird die Geschichte zeigen.
Wie lautet Eure Prognose für das Spiel? Drückt Ihr einem Spieler besonders die Daumen?
Die Prognosen reichen von einem glorreichen Auswärtssieg bis zu einem Debakel. Ein Konsens lässt sich hier nicht finden. Gleichwohl: Wir sind optimistisch, mit einem sehr pessimistischen Einschlag. Auch hinsichtlich der Unterstützung eines bestimmten Spielers können wir uns nicht einigen. Leider ist Schulle nicht mehr in der ersten Mannschaft aktiv: Als er dies noch war, konnte er sich den „Timo Schultz Fußballgott!“-Sprechchören aus unseren Kehlen sicher sein. Nun lassen wir nur noch das Kollektiv hochleben.
Was habt Ihr Euch für die kommende Saison vorgenommen? Plant Ihr eine Fahrt nach Hamburg oder zu anderen Begegnungen der Kiezkicker? Gibt es eine Partie, die Ihr als Euer persönliches Saison-Highlight bezeichnen würdet?
Wir werden sicher das eine oder andere Spiel in Hamburg und anderswo besuchen, mal in kleiner, mal in großer Gruppe. Ein Höhepunkt ist unser Auswärtsspiel in Dresden auf der falschen Elbseite. Als Heimspiel bezeichnen wir dies aber ebenfalls nicht.
Vielen, vielen Dank liebe Freibeuter! Wir wünschen Euch viel Spaß am Freitag in Aue.
(iv)
Foto: Freibeuter1910 DD-Neustadt