„Kein Wettrennen um Eitelkeiten“
Mittwoch, 19. August 2015, 12:21 Uhr
Andreas, Du beginnst Deine Tätigkeit beim FC St. Pauli am 1. September, seit einigen Wochen bist Du bereits tageweise in der Geschäftsstelle. Warum hast Du nicht schon früher Deinen neuen Job angetreten?
Mir war es wichtig, nachdem ich frühzeitig bei der DFL meine Entscheidung getroffen und mitgeteilt habe, die DFL zu verlassen, mir selbst eine Abkühlphase zu verordnen. Daher habe ich meine Tätigkeit auch bereits vor dem Lizenzierungsverfahren im März ruhen lassen, denn es ist immer schwierig, wenn man detailreiche Kenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse aller Vereine hat, direkt zu einem Club wechselt. Vor meinem Wechsel zum FC St. Pauli war es mir zudem wichtig, den Verein kennenzulernen. Und das ist aus der Perspektive des Außenstehenden immer etwas leichter, als wenn man direkt im Arbeitsprozess ist.
Warum hast Du Deinen Posten bei der DFL aufgegeben?
Ich hatte drei schöne und sehr lehrreiche Jahre bei der DFL, aber mir fehlte am Ende die Emotionalität eines Clubs, denn als DFL kannst Du zwar keine Spiele verlieren, aber Du gewinnst auch keine.
Es heißt, Du hattest verschiedene Angebote aus der Bundesliga, warum dann der Wechsel zum FC St. Pauli?
Wer sich meine Vita anschaut, wird schnell erkennen, dass ich berufliche Entscheidungen nicht karriere- sondern aufgabenorientiert treffe. Mir ist der Inhalt immer wichtiger als die Verpackung. Aus wenig viel zu machen und mit kleineren Clubs – wie zum Beispiel bei meinen Stationen in Freiburg und Augsburg – dem Establishment ein Schnippchen zu schlagen. Das ist für mich eine Herausforderung.
Du sagtest, Du hättest Dich beim FC St. Pauli für das wirtschaftlich schlechteste Angebot entschieden...
Und das Schlimme daran ist – es stimmt (lacht). Bei meinen Entscheidungen geht es um Zufriedenheit im Job, denn Arbeitszeit ist Lebenszeit. Ich definiere meine Jobzufriedenheit nicht über den Blick auf den Gehaltszettel, sondern über die Aufgabe, den Club, für den ich arbeite, und die Menschen, mit denen ich zu tun habe.
Waren die Vertragsverhandlungen mit dem Präsidium schwierig?
Überhaupt nicht. Wir haben über die Vertragsinhalte nur sehr kurz gesprochen, waren uns schnell einig. In dieser Zeit hätte man gerade ein Bier zapfen können.
Mussten Oke Göttlich und seine Präsidiumskollegen vorher Überzeugungsarbeit leisten, damit Du ans Millerntor kommst?
Ich hatte den FC St. Pauli zunächst gar nicht auf dem Zettel, als es um meine weitere Zukunftsplanung ging. Ich hatte mich zwar schon einmal mit Oke getroffen, aber da ging es um Strukturen und die DFL. Außerdem war ich kurz vor der ersten Kontaktaufnahme noch als Teilnehmer bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen von „Fußball und Liebe“ und habe sehr kontrovers mit Sandra Schwedler diskutiert. Als mich Oke und Joachim Pawlik dann kontaktiert haben, haben sie mich schnell überzeugt. Die Art und Weise, wie die beiden das gemacht habe, hatte was. Das war stark.
Und medial ist bis zur Verkündung nichts herausgekommen. Eine Ausnahme in der Medienstadt Hamburg, oder?
Aber für mich ein ganz bemerkenswerter Punkt. Denn ich habe ja nicht nur mit dem Präsidium gesprochen, sondern auch mit dem Aufsichtsrat. Es waren also mehr als zehn Personen eingebunden. Die Verlässlichkeit und Vertraulichkeit, die hier gezeigt wurde, ist außergewöhnlich und spricht für den Club und die Gremien.