Philip Cetl zum Ehrenamt: „Es ist eine Frage der Überzeugung“
Sonnabend, 09. Dezember 2017, 10:00 Uhr
13 Jahre lang unterstützte Philipp Cetl als Ehrenamtlicher die Jugendteams unseres Nachwuchsleistungszentrums. Bevor er aufhört, verriet uns der Betreuer der U19, warum er sich so lange ehrenamtlich engagiert hat, wie er die Rolle des Ehrenamtes in der Gesellschaft sieht und was er sich für die vielen Freiwilligen, die jedes Wochenende auf dem Fußballplatz stehen, wünscht.
Moin moin Philip. Was sind Deine Tätigkeiten beim FC St. Pauli?
"In den letzten 13 Jahren habe ich die U15, U16 und U19 jeweils zeitweise betreut. Meine Verantwortung lag hierbei in der Organisation des Drumherums. Sei es der Ablauf an Spieltagen oder auch unter der Woche bei den Trainingseinheiten. Auch größere Ausfahrten wie Turniere oder Trainingslager landeten bei mir. Das waren die Kernaufgaben. Darüber hinaus habe ich oft die Rolle zwischen Trainer und Team eingenommen. Ein bisschen ‚Mutti spielen’ gehörte auch dazu (schmunzelt)."
Wie bist Du dazu gekommen?
"Alexander Bachmann hatte ein technisches Problem und im St. Pauli-Forum nach einer Lösung gefragt. Ich konnte ihm helfen und so sind wir ins Gespräch gekommen. Offensichtlich war ich ihm sympathisch und fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm und Daniel Domingo die U15 des FC St. Pauli zu übernehmen. Seitdem war ich mit Alex und Daniel verheiratet und die Geschichte nahm ihren Lauf."
Warum hast Du Dich entschieden, in Deiner Freizeit dem NLZ zu helfen?
"So richtig beantworten kann ich die Frage nicht und ehrlich gesagt, habe ich noch nie wirklich darüber nachgedacht. Es hat menschlich einfach gepasst. Die Aufgaben und Voraussetzungen waren damals nicht so umfangreich wie heute. In den Anfangsjahren haben wir noch Kuchen im alten Millerntor-Stadion verkauft. Wie das Millerntor ist auch das ganze NLZ gewachsen. Über die Jahre hat man natürlich auf viel verzichtet, doch die großen internationalen Turniere und die Zeit mit den Spielern, mit denen ich teilweise heute noch in Kontakt stehe, haben für viel entschädigt."
Was bedeutet für Dich Ehrenamt?
"Auf den Punkt gebracht: Ich investiere viel Zeit, bekomme dafür aber kein Geld, sondern mache die Sache aus Überzeugung. Für mich war das Ehrenamt dafür da, einfach zu helfen. Und wenn man ehrlich ist, ist der FC St. Pauli schon sehr gut aufgestellt. Für die kleineren Amateurvereine ist es noch viel schwieriger. Da fehlt Manpower und das nötige Kleingeld. Die müssen noch viel mehr improvisieren. Uns geht es da im Vergleich schon sehr gut."
Warum engagieren sich Menschen ehrenamtlich?
"Ich glaube, viele rutschen einfach in die Positionen rein. Das können Väter, Mütter, Brüder, Schwestern oder Freunde sein, die sowieso am Platz sind und sich irgendwann einfach einbringen. Ich habe mich ja auch nicht aktiv auf das Amt des Betreuers der U15 beworben. Dass jemand Externes ohne ‚Vorbelastung’ in das Ehrenamt reinrutscht, ist sehr selten. Meiner Meinung nach ist das eine Frage der Überzeugung."
Welche Überzeugungen sind da ausschlaggebend?
"Bei uns ist man in erster Linie St.-Pauli-affin und möchte dem Verein etwas geben, bzw. auch etwas aufbauen. So war es zumindest bei uns vor 13 Jahren. Dazu gehört, dass man die eigene Expertise weitergibt und einbringt. Warum ich das nun eigentlich gemacht habe, kann ich nicht genau sagen. Es war irgendwann einfach normal."
Gab es denn Momente, in denen Du keine Lust mehr hattest?
"Klar. Das Privatleben leidet unter dem Ehrenamt zwangsläufig. Da fragt man sich schon, ob man Lust hat, das Wochenende für den Fußball zu verplanen. Teilweise waren wir ja auch über Nacht weg. Dann kommst Du am Sonntagabend nach Hause und der Wecker für die Arbeit klingelt in sechs Stunden. Ich muss mich bei meiner Frau bedanken. Sie hat mich dabei unterstützt und sich damit auch arrangiert. Ehrenamt bedeutet auch, dass viele Teile des sozialen Lebens wegfallen, weil Verbindlichkeiten und Verantwortungen Vorrang haben."
Wie schätzt Du die Wichtigkeit des Ehrenamtes für die Gesellschaft ein?
"Es ist wichtiger, als viele Leute denken. Ich finde, Sport sollte jedem Kind und jedem Erwachsenen ermöglicht werden. Deswegen ist das Ehrenamt gerade in den Amateurvereinen besonders wichtig. Ohne das Ehrenamt könnten sie gar nicht existieren. Vielleicht ist es auch an der Zeit, ein paar Dinge zu ändern. Zum Beispiel, dass Anreize zur Ausübung des Ehrenamtes geschaffen werden. Klar ist, dass Geld nie das Argument für eine ehrenamtliche Tätigkeit sein kann, aber zumindest die Kosten sollten gedeckt werden können. Ich denke da z.B. an Benzingeld."
Freiwillige Arbeit wird oftmals nicht in der Form wertgeschätzt, wie es sein sollte. Warum ist das so?
"Weil sich keiner vorstellen kann, was für eine Arbeit dahintersteckt. Es fängt ja schon damit an, dass Kinder zum Fußballtraining kommen müssen und am Wochenende stehen die Spiele an. Ich glaube, die Leute denken teilweise, dass es dafür sogar Geld gibt. Man kann es mit dem Zivildienst vergleichen. Als der weggefallen ist, klaffte auch eine riesige Lücke in der Altenpflege. Nun stelle man sich vor, das Ehrenamt würde wegfallen."
Was würdest Du Dir für das Ehrenamt wünschen?
"Ich hoffe, dass mehr Leuten bewusst wird, was das Ehrenamt tut, um den Kindern und Jugendlichen etwas zu ermöglichen. Sie zu unterstützen und Spaß zu vermitteln. Gerade im Breitensport. Die Honorierung für Ehrenamtler sollte bedeutend größer werden. Damit meine ich keine finanziellen Aspekte."
Bald beendest Du Deine Tätigkeit. Was wirst Du vermissen?
"Erstmal werde ich nichts vermissen. Doch wenn es im neuen Jahr wieder losgeht, wird es komisch, dass ich nicht mehr nah am Team sein kann. Auswärtsspiele, Pokalspiele, DFB-Pokal. All die Highlights werden mir fehlen."
Vielen Dank für das Interview, Philip!
(lf)
Foto: Stefan Groenveld