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„Es war extrem bitter, das Spiel so noch aus der Hand zu geben“

Nach fast elf Jahren empfangen unsere Kiezkicker am Sonntag (10.3.) mal wieder Hertha BSC zu einem Zweitliga-Heimspiel, zuletzt gastierten die Berliner in Liga zwei am 28. April 2013 am Millerntor. Die schon vor dem Spiel als Aufsteiger feststehenden Berliner siegten damals dank zweier später Tore in sprichwörtlich letzter Sekunde. Für unsere Jungs war es eine bittere Niederlage, die auch Lennart Thy nicht vergessen hat. Der ehemalige Kiezkicker, der aktuell erfolgreich beim PEC Zwolle auf Torejagd geht, erzielte damals sein erstes Tor für den FC St. Pauli, konnte sich aufgrund der bitteren Niederlage aber nicht wirklich freuen.

„An alle Szenen kann ich mich nicht mehr erinnern, dafür liegt das Spiel dann doch zu weit zurück. Ich weiß aber noch, dass es hin und her ging und beide Teams viele gute Chancen hatten“, entgegnet Lennart Thy zunächst auf die Frage, wie gut er sich noch an das Heimspiel gegen Hertha BSC im April 2013 erinnern kann. „Dass wir am Ende ganz unglücklich verlieren, weiß ich aber noch ganz genau“, fügte er hinzu. Aber der Reihe nach. Beide Teams waren mit komplett unterschiedlicher Gemütslage in den 31. Spieltag der Saison 2012/13 gegangen. Unsere Kiezkicker hatten in der Vorwoche mit 0:3 bei Abstiegskandidat VfL Bochum verloren und damit einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt verpasst. Die Berliner wiederum hatten den SV Sandhausen mit 1:0 besiegt und bereits vier Spieltage vor Schluss den Aufstieg perfekt gemacht. „Den haben wir ordentlich gefeiert“, so Berlins Innenverteidiger Meik Franz damals, um mit Nachdruck hinzuzufügen: „Mitte der Woche haben wir den Schalter aber wieder umgelegt, weil wir Mannschaften wie Dresden, Bochum und Aue gegenüber eine Verantwortung haben und nichts herschenken dürfen.“

Bei besten äußeren Bedingungen lieferten sich unsere Jungs und das Team von Jos Luhukay im ausverkauften Millerntor-Stadion ein packendes Spiel, in dem es etliche Chancen auf beiden Seiten gab. Mitte der ersten Halbzeit erzielte Sami Allagui die Führung für die zu Beginn in der Offensive gefährlicheren Herthaner. Unsere Boys in Brown, bei denen Thy nicht ganz vorne, sondern auf dem rechten Flügel für Akzente setzte, wachten erst danach so richtig auf, verpassten vor der Pause aber den Ausgleich. Den hatte auch der im Sommer 2012 von Werder Bremen gekommene Thy auf dem Fuß, rein wollte der Ball aber nicht. Noch nicht. Mitte der zweiten Halbzeit erzielte der heute 32-Jährige dann aber das zu dem Zeitpunkt längst überfällige 1:1. „Ich tauche frei vor Thomas Kraft auf und schieße dann gar nicht zu doll. Der Ball geht ihm durch Beine und war drin“, erinnert sich Thy noch gut und erklärt auch warum: „Ich hatte zuvor länger nicht getroffen, zudem war es mein erstes Zweitligator für St. Pauli.“ Beinahe hätte er auf den Premierentreffer direkt Tor Nummer zwei nachgelegt, doch Kraft war zur Stelle.

Daniel Ginczek bejubelt mit Lennart Thy dessen Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1.

Daniel Ginczek (li.) bejubelt mit Lennart Thy (re.) dessen Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1.

Die überaus spannende Schlussphase verfolgte Thy dann von der Bank aus, hatte FCSP-Coach Michael Frontzeck doch Joe Gyau für ihn eingewechselt. Von draußen erlebte er dann mit, wie Daniel Ginczek erst die Latte traf, per Elfmeter dann aber erfolgreich war. Da waren nur noch sechs Minuten zu spielen. Drei wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt waren zum Greifen nah, doch dann drehte die Hertha noch mal auf. „Der hatte aber auch eine linke Klebe“, weiß Thy zu berichten, als wir ihn auf das 2:2 für Berlin durch Ronny ansprechen. Der Brasilianer hatte das Leder in der 88. Minute humorlos aus 22 Metern mit viel Wucht in den linken oberen Knick geballert und Philipp Tschauner sich vergeblich gestreckt.

Doch damit nicht genug. Eine scheinbar harmlose Hereingabe von Levan Kobiashvili beförderte der zuvor eingewechselte Sandro Wagner in der Schlussminute aus zwölf Metern zum 3:2-Siegtreffer für die Gäste über die Linie. „Berlin hatte eine richtig starke Mannschaft für die zweite Liga. Wir haben an dem Tag aber gut dagegengehalten. Es war am Ende aber wirklich ärgerlich, dass wir die Punkte nicht am Millerntor behalten haben und extrem bitter, das Spiel so noch aus der Hand zu geben“, weiß Thy zu berichten. Späte Gegentore tun einfach extrem weh und das hat Thy mit seinem aktuellen Verein PEC Zwolle, den er mit 23 Toren in der Vorsaison als Torschützenkönig der zweiten niederländischen Liga in die Eredivisie geschossen hat, im Kalenderjahr 2024 bereits dreimal erleben müssen.

Berlins Last-Minute-Torschützen Sandro Wagner und Ronny.

Sandro Wagner (li.) und Ronny (re.) sorgten mit ihren späten Toren für ganz lange Gesichter am Millerntor.

Im Januar gegen den SC Heerenveen (2:2) und AZ Alkmaar (2:2) sowie Anfang Februar bei den Go Ahead Eagles (1:1) kassierte Zwolle immer in der Nachspielzeit den Ausgleich und schenkte binnen weniger Wochen gleich sechs Zähler her. Wie damals gegen die Hertha ging zwar kein Spiel am Ende auch noch verloren, wie Niederlagen fühlten sich die Unentschieden aber dennoch an. Trotz der späten Gegentreffer und zuletzt drei Niederlagen in Folge hat Zwolle (27 Punkte) noch immer einen recht komfortablen Neun-Punkte-Vorsprung auf die Abstiegsränge. „Ohne die späten Gegentore wäre der Abstand nach unten aber deutlich größer. Wir sind aber weiter gut dabei und haben es weiter selbst in der Hand“, erklärt Thy, der inzwischen 50 Tore in der Eredivisie erzielt hat und bereits im Mai 2022 Helmut Rahn (39 Tore) als deutschen Rekordtorschützen in der höchsten niederländischen Liga abgelöst hat.

Auch vor elf Jahren hatten die Kiezkicker drei Spieltage vor Schluss noch alles in der eigenen Hand, wenngleich drei Punkte gegen die Berliner für deutlich mehr Ruhe im Abstiegskampf gesorgt hätten. Zwei Wochen nach der bitteren 2:3-Niederlage war der Klassenerhalt dank eines furiosen 5:1-Heimsieges gegen Eintracht Braunschweig dann auch gesichert. Bis zum vergangenen Sommer blieb die Hertha dann erstklassig, am Sonntag (10.3., 13:30 Uhr) treffen beide Vereine in der zweiten Liga erstmals wieder am Millerntor aufeinander. Thy, der regelmäßig im Blick hat, was beim FC St. Pauli los ist, und hin und wieder auch Spiele wie die in Kiel oder auf Schalke vorm Fernseher verfolgt, glaubt nicht an eine Wiederholung der Ereignisse. „St. Pauli befindet sich jetzt in einer ganz anderen Situation als damals und steht verdient ganz oben. Man muss schon den Hut ziehen, mit welcher Konstanz und Souveränität die Mannschaft in dieser Saison auftritt. Es waren viele überzeugenden Auftritte dabei, auch wenn die Mannschaft es in Kiel in der Schlussphase ja noch mal spannend gemacht und gegen Schalke zuletzt verloren hat. Sollte sie wie damals auch jetzt kurz vor Schluss führen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das Spiel noch aus der Hand geben wird.“

Auch wenn zuletzt drei Spiele in Folge verloren wurden: Lennart Thy hat mit dem PEC Zwolle viel Grund zur Freude.

Auch wenn zuletzt drei Spiele in Folge verloren wurden: Lennart Thy hat mit dem PEC Zwolle viel Grund zur Freude.

Das Spiel gegen die Berliner wird Thy nicht live verfolgen, aber aus gutem Grund. Mit Zwolle empfängt er am Sonntag (10.3.) um 14:30 Uhr den FC Volendam. Nach zuletzt drei Niederlagen in Serie soll gegen den Tabellenletzten endlich wieder ein Sieg her. „Wir spielen zuhause und Volendam steht unten drin, da wollen wir drei Punkte holen”, so der ehemalige Kiezkicker, der am späten Sonntagnachmittag oder -abend dann sicherlich nachschauen wird, wie die Partie am Millerntor ausgegangen ist.

 

(hb)

Fotos: Witters

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