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Die 1910. Dimension

Wenn der Cheftrainer und ein Ex-Verteidiger eines Fußballvereins gemeinsam auf der Bühne stehen und bei einem Bärte-Ratespiel über den politischen Barrikadenkampf, selbstgeschnittene Haare und Erfahrungen mit Wasserwerfern philosophieren – dann ist man wieder einmal sicher: Das gibt es nur am Millerntor. Man nennt es „Ein Kessel Braun-Weißes“.

Die vierte Ausgabe der braun-weißesten Fan-Gala der Welt (Fr., 15.11.) war ein rauschender Erfolg: Mit rund 1.000 Zuschauern, Helfern und Mitwirkenden wurde der „Ballsaal Süd“ erneut an die Grenzen seiner Kapazität gebracht. Die Teams von 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. und Fanräume e.V. hatten mit vielen weiteren Helfern aus der Fanszene, mit tollen Künstlern sowie mit SpielerInnen aus gleich drei braun-weißen Mannschaften eine wahrhaft große Show auf die Beine gestellt.

Die erste Überraschung gab es gleich zu Beginn, denn zu den Klängen von „Hells Bells“ betraten nicht etwa die Boys in Brown die Bühne, sondern die „Girls in Brown“: Die FC St. Pauli 1. Frauen, zurzeit Tabellenführer der Verbandsliga, sorgten vor ihrem morgigen Punktspiel gegen Wellingsbüttel (15.11., 11 Uhr, Feldstraße) mit einer kreativen Choreo zum „Herz von St. Pauli“ und „Star Wars“ gewaltig für Stimmung.

Nicht nur die vielen „Refugees Welcome“-Shirts im Publikum erinnerten daran, wie sehr der FC St. Pauli und seine Fans an den gesellschaftlichen und politischen Bewegungen auch außerhalb des Sports teilhaben: Als ersten Künstler begrüßte Moderator Christoph Nagel MC Nuri auf der Bühne. Nuri, Refugee aus der russischen Republik Dagestan, berichtete im Interview über die Flucht seiner Familie nach Todesdrohungen radikaler Islamisten gegen seinen Vater, über die heute eher noch schlechtere Situation in seinem Heimatland – und über die quälende Unsicherheit von 10 Jahren im Asylantenheim mit immer neuen Anträgen, mit der Unmöglichkeit irgendeiner langfristigen Planung, mit der Verhinderung, feste Arbeit zu finden, durch Regeln, Paragrafen und Behörden. Der Wunsch, von dieser bedrückenden Situation zu erzählen, brachte Nuri zur Musik. In seinem Song „Wenn du gefangen bist“ rappte er im „Ballsaal“ über den Wunsch, ein freier Mensch zu sein: „Ich wache auf und ich schreibe diesen Text, denn wir wollen hier nur eins: Wir wollen ein Bleiberecht.“

Spieler ohne Grenzen in Team Braun und Team Weiß

Anschließend galt es, Teams zu bilden – denn als Neuerung sorgte eine durchgehende Bepunktung der Spiele für einen kontinuierlichen Spannungsbogen durch den „Kessel Braun-Weißes“: „Team Braun“ mit Jan-Philipp Kalla, Dennis Rosin, Nico Empen, Marc Rzatkowski und Sportdirektor Thomas Meggle sowie „Team Weiß“ mit Robin Himmelmann, Svend Brodersen, Sören Gonther, Andrej Startsev und Co-Trainer Abder Ramdane waren exzellent besetzt. Zu beiden Teams stießen je drei Fans.

Um die spannenden Duelle nicht eskalieren zu lassen, wurde mit Ralph Gunesch ein ebenso souveräner wie schlagfertiger Oberschiedsrichter mit Derby-, „Bokal“- und Aufstiegserfahrung verpflichtet. „Felgen-Ralle“, eigens für diesen Abend aus Ingolstadt gekommen, freute sich sichtlich über den begeisterten Empfang: „Es ist jedes Mal wie nach Hause kommen, wenn ich hier bin.“

Im braun-weißen Quiz „Wer wird Milieunär“, moderiert von Organisationsleiter Sven Brux, brachte „Schnecke“ Kalla mit Fanunterstützung Team Braun in Führung. Die ebenso kniffligen wie witzigen Fragen entstammten einem aktuellen Projekt von 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.: Für „Heimspiel – das St. Pauli Quiz“ erdachten die FCSP-Fans Max und Jonas ganze 1910 Fragen in mehreren Schwierigkeitsgraden rund um Verein, Viertel und Fanszene. Das Spiel, liebevoll gestaltet von Zeichner Guido Schröter, kann ab sofort bei 1910 e.V. vorbestellt werden und erscheint noch rechtzeitig vor Weihnachten.

Klopp, Lienen und Charity-Schnurrbärte

Nach einer augenzwinkernden musikalischen Einlage von Tommy Molotow und Fondermann („Der FC St. Pauli ist schuld, dass ich so ein Arschloch bin“) stellten sich Philipp Heerwagen und Marc Hornschuh dem Spielertalk. Neu-Kiezkicker Hornschuh, der Hamburg notgedrungen erst einmal in unzähligen Wohnungsbesichtigungen kennengelernt hat, berichtete von seinen Erfahrungen mit so unterschiedlichen Trainern wie Jürgen Klopp (der ihm beim BVB den Spitznamen „Horni“ verpasste) und Ewald Lienen und zeigte sich beeindruckt vom sozialen Engagement im Verein. Als Philipp Heerwagen (mit noch frischem Schnurrbart im Rahmen der Aktion „Movember“) von seinen Erlebnissen bei einer „Viva von Agua“-Tour durch Afrika berichtete, zeigte sich „Horni“ nicht abgeneigt, beim nächsten Mal mitzufahren. Die inzwischen traditionelle „Kessel“-Frage nach dem Lieblings-Fangesang beantworteten beide mit dem Klassiker „You’ll never walk alone“ – der prompt vom ganzen Saal intoniert wurde. Dirigent: Philipp Heerwagen.

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