Spitzenspiel – dort, wo das Herz noch zählt
Donnerstag, 29. Oktober 2015, 12:43 Uhr
4,25 - so viele Treffer fielen durchschnittlich in den vergangenen vier Jahren, wenn der VfL Bochum den FC St. Pauli empfing. Nicht immer allerdings mit dem besseren Ende für Braun-Weiß: Der letzte Sieg ist datiert auf den 12. August 2011, danach gab es zwei Unentschieden und eine Niederlage. Zeit wird’s also für Braun-Weiß, endlich mal wieder die volle Punktzahl aus dem Ruhrgebiet zu entführen. Dass das jedoch kein leichtes Unterfangen wird, ist allen Beteiligten klar. Zu stark sind die Bochumer offensiv, namentlich sei an dieser Stelle Top-Torjäger Simon Terodde (neun Treffer in dieser Saison) erwähnt. Doch auch defensiv stehen die Blau-Weißen oftmals sicher, ließen erst elf Gegentreffer zu und damit gerade einmal einen mehr als die Kiezkicker. Fest steht: Das Duell Dritter gegen Vierter gehört zu den Highlights des 13. Spieltages der zweiten Fußballbundesliga.
Die Erfolgsgeheimnisse des VfL sind, neben der herausragenden Offensive (Ewald Lienen: „Sie machen sehr viel Druck nach vorne, haben in jedem Spiel hochkarätige Chancen.“), die mannschaftliche Geschlossenheit und wenige Verletzte. Wie Lienen vor der Partie treffend bemerkte: „Bochum hat beinahe alle Spiele mit der gleichen Formation gespielt.“ Der Chefcoach der Braun-Weißen hat in den vergangenen Wochen auch persönlich Scouting für die anstehende Partie betrieben: Die 0:1-Niederlage der Bochumer gegen die Mannschaft aus Leipzig verfolgte Lienen von der Tribüne aus.
Apropos Tribüne: Auf dieser wird sich Anthony Losilla wiederfinden. Der Franzose, der bisher jedes Pflichtspiel der laufenden Saison über 90 Minuten bestritt, kassierte während der Partie gegen den FSV Frankfurt vergangenes Wochenende seine fünfte Gelbe Karte und wird damit fehlen. Für ihn wird aller Voraussicht nach der junge Thomas Eisfeld, der beim FC Arsenal ausgebildet wurde, auflaufen. Bei unseren Kiezkickern entspannte sich die Verletztensituation in den vergangenen Wochen zunehmend. Sebastian Maier wird vermutlich wieder in den Kader zurückkehren, auch Sören Gonther und Bernd Nehrig kommen ihrer alten Form Tag für Tag ein Stückchen näher. So bleiben, da auch die jungen Spieler Maurice Litka und Yannick Deichmann wieder ins Training eingestiegen sind, nur noch Enis Alushi und Ryo Myaichi als Verletzte übrig.
Anders als der FC St. Pauli, der während der Woche frei hatte, mussten die Bochumer im DFB-Pokal ran und empfingen mit dem 1. FC Kaiserlautern einen Ligakonkurrenten. Mit 1:0 konnte sich Blau-Weiß durchsetzen und feierte somit den Einzug ins Achtelfinale. Das Tor des Tages schoss mit Chris Löwe allerdings ein Spieler im roten Trikot – ein Flankenball rutschte durch bis auf seinen Kopf und von dort aus äußerst unglücklich ins eigene Tor. Den Bochumern wird das egal sein, nach zuletzt zwei sieglosen Spielen in Serie gibt das Erfolgserlebnis Selbstvertrauen im Hinblick auf den Vergleich mit St. Pauli am Freitagabend. Dieses dürfte auf der anderen Seite aber auch bei den Boys in Brown nicht gerade klein sein. Am vergangenen Sonntag hielten sie den Spitzenreiter der zweiten Liga, den SC Freiburg, weitestgehend in Schach und erzielten in der letzten Minute sogar noch den viel umjubelten Siegtreffer. Und auch beim bisher letzten Spiel gegen die Verbeek-Elf lief es gut für die Kiezkicker: Mit einem grandiosen 5:1-Sieg nach 0:1-Rückstand am 33. Spieltag der Vorsaison holten sie entscheidende Punkte für den erfolgreichen Klassenkampf.
Der Schiedsrichter der Partie versprüht unterdessen internationales Flair: Felix Zwayer aus Berlin ist ein Referee mit mehrjähriger Erfahrung bei Länderspielen und hat in dieser Saison schon zwei Champions-League-Spiele geleitet. Auch in dieser Hinsicht sind also alle Vorzeichen auf „Spitzenspiel“ gestellt.
Wie auch immer das Aufeinandertreffen am Freitag endet, die Mannschaft kann sich einmal mehr auf die herausragende Unterstützung ihrer Fans freuen. Über 2.500 St. Paulianerinnen und St. Paulianer haben sich bereits mit Tickets versorgt, für Kurzentschlossene stehen noch ausreichend Sitzplatzkarten vor Ort zur Verfügung.
Zurück zu Herbert Grönemeyer. Der singt am Anfang des Songs: „Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt / Ist es besser, viel besser als man glaubt“. Ob das am Freitag auch für Ewald Lienen und seine Jungs gilt? Für Sightseeing in der Zeche ist wohl eher keine Zeit. Doch die Gelegenheit, als Souvenir drei Punkte aus dem Pott mitzunehmen, ist durchaus verlockend.
(th)
Fotos: Witters