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"Es ist die Nähe zum realen Fußball, die diesen Modus so auszeichnet"

ProClub. Was genau ist das? Diese Frage stellen sich sicher einige von Euch. Seit einiger Zeit ist der FC St. Pauli im Bereich eFootball aktiv. Unter anderem auch im ProClub-Modus von FIFA. Verantwortlich dafür ist Jessica Niebel​. Mit ihr sprachen wir über den Modus, ihren Weg zum FC St. Pauli und die leider noch immer besondere Rolle von Frauen im Gaming-Bereich.

Hallo Jessy, Du bist verantwortlich für unser Pro Club Team. Damit alle Bescheid wissen, worüber wir sprechen: Erkläre uns doch mal den ProClub Modus. 

Pro Club bezeichnet den gesonderten 11-gegen-11 Modus in FIFA. Zu Beginn erstellt man dort seinen eigenen Charakter, der jedoch leider nur männlich ist, und kann diesen ganz nach eigenen Wünschen einstellen. Vor allem seit FIFA 20 sind dort auch Frauenfrisuren und tiefergehende Einstellungen in manchen Bereichen möglich, sodass der Pro, so wird der Charakter genannt, noch individueller wirkt. Ist der Pro erstellt, hat man die Möglichkeit, gewisse Fähigkeiten auszubauen, die auf lange Zeit betrachtet immer mehr ausgebaut werden können, und einen Verein zu erstellen oder einem beizutreten, in denen man mit zwei bis elf Spielern dann die Ligen aufsteigen oder gegen andere Vereine gezielt spielen kann. So kommt ein wahrhaftes Fußballgefühl auf, wenn ein 11-gegen-11-Match ausgetragen wird. 

Du hast früher selbst aktiv Fußball gespielt, nun spielst Du nur noch FIFA. Gibt es Parallelen zum richtigen Fußball und kann man Erfahrungen mit ins Spiel nehmen? 

Ich sehe definitiv Parallelen zum richtigen Fußball. Es fängt bei mir mit dem Team an. Das Mannschaftsgefühl, wie man sich gegenseitig mitreißt und mitfiebert. Die gegenseitige Unterstützung, auch neben dem Spielfeld, ist unheimlich wichtig. Dann geht es weiter auf dem Feld. Ob es Dreiecksbildung im Spiel ist oder Taktik in der Formation – wir trainieren die einzelnen Dinge, besprechen und optimieren diese, damit jeder das Bestmögliche aus sich herausholt und sich stetig in der Leistung erhöht. Schlussendlich dann auch abseits vom Platz. Es werden Fehler analyisiert, angesprochen und ausgemerzt. Es steckt so viel Organisation in so einem Verein und wir haben demnach auch vier Mal in der Woche jeweils zwei Stunden Training. Meine Erfahrung vom richtigen Fußball habe ich sehr wohl auch mit in FIFA genommen. Es macht für mich nochmal einen Unterschied, das Verständnis für gewisse Situationen zu haben und das Gefühl für Taktik. Wenn es um die Spielverlagerung, den Moment des Verteidigens oder vielleicht auch nur um einen möglichen Konter geht - es sind kleine Feinheiten, die mir schlussendlich wirklich weiterhelfen. 

Der ProClub Modus bekommt leider noch nicht so viel Aufmerksamkeit, obwohl dieser sehr beliebt ist. Was zeichnet den Modus für Dich aus? 

Für mich ist der Modus Leidenschaft. Ich spiele Pro Club schon seit Ende 2015, das sind also etwas mehr als vier Jahre. Das Gefühl, mit einem zusammengeschweißten Team auf dem Platz zu stehen und wichtige Punkte zu holen, ist einfach unbeschreiblich. Es ist die Nähe zum realen Fußball, die diesen Modus so auszeichnet. Dazu kommen die teils professionellen Hintergründe. Man hat wöchentlich Ligen und Spieltage, auf die man jeden Tag hinarbeitet. Es gibt Pokale, die ausgespielt werden, und Nationalmannschaften. Hinter den Mannschaften stehen Trainer und VMs, die stets alles koordinieren, Tag und Nacht für das Team arbeiten und in die Freizeit investieren. Daher finde ich es sehr bedauerlich, dass EA diesen Modus nicht unterstützt, obwohl er so realitätsnah und strukturiert ist. 

Mittlerweile gibt es mit der NGL Premiership eine Liga, bei der nur eingetragene Fußballvereine aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teilnehmen können. Wie wichtig ist es, sich mit anderen Teams in einem Wettbewerb zu messen? 

Momentan ist die Diskussion präsent, ob eSport wirklich als Sport gesehen werden kann. Da ich der festen Überzeugung bin, dass eSport kompetitiv ist, finde ich den Wettbewerb unabdingbar. Es gibt dir den Reiz, dich immer zu verbessern. Es gibt dir den Ehrgeiz, Erster zu werden und dein Können unter Beweis zu stellen. Es pusht dich und das Team ungemein, wenn du weißt, es geht um etwas, wenn es das Spiel um den ersten Platz ist oder ein Relegationsspiel. Selbst beim eSport könnte man von Adrenalin reden, was deine Leistung nochmal aufblühen lässt. Wenn man bedenkt, was für ein herausragender Schritt die Premiership für den Pro Club Modus ist, macht der Wettbewerb umso mehr Spaß. 

Die erste Saison habt Ihr auf Platz fünf abgeschlossen. Wie zufrieden bist Du mit der Platzierung und der Entwicklung in Eurer Premierensaison? 

Grundsätzlich bin ich so semi-zufrieden. Die Hinrunde war klasse, auch wenn man dort den ein oder anderen Punktder am Ende wichtig gewesen wäre, leider liegengelassen hat. Das kann passieren, auch wenn es nicht passieren sollte. Trotz Aufbauphase haben wir uns sehr gut präsentiert auf dem Platz. Die Rückrunde war für mich deshalb eher enttäuschend. Dort wurden viele Punkte vergeben, die man hätte mitnehmen müssen, um es schlussendlich vielleicht auch unter den Top3 zu schaffen. Man hat sich nicht mehr so dominant und geschlossen präsentiert, was sehr schade war. Doch wir wissen, woran wir arbeiten werden, haben Pläne gemacht, uns Feedback vom Team geholt und gehen die Lücken geschlossen an, um die nächste Saison eine leistungsstarke Mannschaft zu stellen. 

Wie dürfen wir uns ein FIFA-Training mit elf Spielern vorstellen und welche Rolle nimmst Du beim Training ein? 

Vor dem Training wird die Aufstellung für den Abend in eine WhatsApp-Gruppe gepostet, damit die jeweiligen Spieler Bescheid wissen, wer zu erscheinen hat. Unser Training findet immer montags, mittwochs, donnerstags und sonntags statt, jeweils von 19:50 bis 22 Uhr. Zu dem Treffpunkt sind dann meist alle in der Aufstellung, sodass das Training beginnen kann. Wir trainieren in Ligaspielen, d.h. der einfachen Gegnersuche über FIFA, und bauen dort verschiedene Elemente ein. Ob es für die Offensive nur Torschüsse per Direktabnahme und kein Dribbling ist, oder es für die Defensive heißt, dass diese den Ball ausschließlich kontrolliert aus der eigenen Hälfte tragen sollen. Jeder hat meist seine Aufgaben, die er erledigen muss und die je nach Spiel variieren. So bringen wir nicht nur die Basics immer mit ins Training, sondern versuchen auch, alle auf ein Level zu bringen. Voneinander lernen ist immens wichtig. So auch die Kommunikation, die wir in der Playstation-Party vollführen, um Pässe und Anweisungen im Spiel weiterzugeben. Wir fordern auch, dass Auffälligkeiten und Fehler direkt angesprochen werden sollten, damit diese sich nicht über die Zeit eingliedern. Meine Rolle beim Training? Nun, wir besprechen meist zusammen die Aufgaben für den Abend, damit auch Varietäten auftreten. Da ich selbst auf der Sechs spiele und sozusagen mitten im Geschehen bin, versuche ich auch immer, meinen Mitspielern Sicherheit und Ruhe zu vermitteln. Auch die Konzentration im Team aufrechtzuerhalten und zu motivieren, zähle ich zu meinen Pflichten. 

Aktuell seid Ihr in der Vorbereitung für die neue Saison, die im April startet. Wie lauten Deine Ziele mit dem Team für die kommende Spielzeit und wie siehst Du die Chancen, diese auch zu erreichen? 

Mein Ziel für die kommende Saison ist definitiv einer der Top3-Plätze in der Premiership. Ich bin davon überzeugtdass wir nach einer erfolgreichen Saisonvorbereitung qualitativ guten Fußball auf den Platz bringen und überzeugen können. Das Ziel besteht darin, noch mehr als Team zu agieren und gemeinsam gewinnen zu wollen. Wir müssen es schaffen, einen gewissen Grundstandard vom Spielerischen selbst sowie vom fußballerischen Verständnis zu legen. Ich bin positiv gestimmt, dass uns das größtenteils gelingen wird und unsere Chancen die Ziele in der nächsten Zeit zu erreichen, damit recht hoch liegen. 

Hat man die Möglichkeit, bei Euch mal mitzutrainieren und sich so für einen Platz im Kader empfehlen? 

Also ich würde schon sagen, dass man immer für einen Test anfragen kann. So ein Test geht aber immer eher zwei, drei Trainingseinheiten lang, um sich ein genaues Bild von einer Spielerin oder eineSpieler zu machen. Wir freuen uns immer über Fans des FC St. Pauli, die sogar aus dem Raum Hamburg kommen. Unser Kader besteht überwiegend aus Hamburgern, die sich auch mal treffen und Dinge unternehmen. Meiner Meinung nach schweißt sowas noch mehr als Team zusammen und eröffnet ganz neue Möglichkeiten und Verbindungen, was den Pro Club noch mal attraktiver macht. Deshalb scheut Euch nicht, uns eine Anfrage zu stellen und mal vorbeizusehen, egal ob Ihr schon FIFA begeistert seid oder es mal so testen wollt. 

Nun zu Dir. Wie bist Du zum eFootball und zum FCSP gekommen? 

Meinen Beginn im eFootball würde ich vor gut einem Jahr sehen, als ich dem SV Babelsberg 03 eSports beigetreten bin. Ich fand es schon immer sehr reizvoll, für einen richtigen Verein zu spielen, weil dort so viel mehr dahintersteckt, als nur abends seine Ligaspiele runterzuspielen. Man verkörpert etwas und ist stolz darauf, repräsentieren zu könnenAls ich vom Einstieg des FCSP im eFootball erfahren habe, wollte ich die Chance unbedingt nutzen, für diesen tollen Verein zu spielen. Vor allem die Leitlinien dieses Vereins und die Tradition dahinter waren der größte Faktor für meine Entscheidung. Es ist mir eine große Freude, Teil dieses Vereins zu sein und ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit.  

Warum gibt es bisher leider weitaus weniger Frauen als Männer im Bereich eSport?  

Ich glaube, es sind Fußball und Fifa in der Kombination an sich, die diese Situation hervorrufen. Nicht alle Frauen, die sich für Fußball interessieren, begeistern sich auch für Fifa und diesen Modus. Wenn man auf andere eSport-Titel schaut, wie Counter Strike oder COD, sind auch beachtlich mehr Frauen tätig und aktiv. Vielleicht ändert sich das ja in Zukunft, dass auch mehr Frauen aus sich rauskommen und sich zeigen, wenn sie sehen, dass auch sie in Fifa eine Chance oder Perspektive haben.  

Was muss passieren, damit sich das ändert?  

Eine schwierige Frage, die man nur prognostisch betrachten kann. Ich glaube, wenn die Vereine mehr Frauen fördern und ermutigen würden, dass diese die Chancen ergreifen dürfen, vielleicht auch ohne sich direkt mit den männlichen Konkurrenten zu vergleichen. Der eSport zeichnet sich zwar dadurch aus, dass vor allem die Geschlechterunterschiede nichtig werden und es eine Chancengleichheit gibt, jedoch finde ich trotzdem, dass man darüber nachdenken sollte, vor allem Anfang, zu separieren. Vielleicht gibt es ja auch eine Liga für Frauen in der Zukunft, wer weiß.  

Wer ist in dieser Frage in der Pflicht? 

Die Vereine, die schon offizielle eFootballer haben, sind einerseits in der Pflicht, dieses Genre zu fördern und Vorbild zu sein. Aber ohne die Unterstützung der verantwortlichen Verbände und Ligen, bzw. Organisatoren wie EA wird sowas kaum möglich, bzw. sinnhaft sein, weshalb vor allem EA und die Liga selbst den ersten Zug machen müssten. 

Was erhoffst Du Dir in dieser Thematik für die Zukunft? 

Einen Fortschritt. Frauen können genauso gut im Gaming Bereich sein wie Männer, wenn sie wollen und wenn man ihnen die Chancen eröffnet. Wenn dieser Schritt in FIFA genauso gestattet wird, wie in anderen professionellen Bereichen, dann könnte man eSport vielleicht auch endlich als Breitensport in der Gesellschaft fassen und die Vorteile dieses Zweiges hervorheben, was auch die Chancengleichheit beinhaltet. 

 

Text & Fotos: FCSP

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