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"Der Jubel bei den Jungs war groß, als ich mit der Kiste um die Ecke kam"

Am heutigen Donnerstag (20.5.) jährt sich der vierte der insgesamt fünf Bundesliga-Aufstiege unseres FC St. Pauli, vor exakt 20 Jahren siegten die Braun-Weißen beim bereits als Aufsteiger feststehenden 1. FC Nürnberg mit 2:1 und stiegen, nachdem sie vor der Saison als Absteiger Nummer eins gehandelt worden waren, sensationell in die 1. Bundesliga auf. Mittendrin, wenn auch ohne Einsatz in der Aufstiegs-Saison, war Defensiv-Allrounder Hauke Brückner (auf dem Foto oben der 2. von rechts). Mit dem damals 21-Jährigen, der von 2000 bis 2007 das FCSP-Trikot getragen hatte, nach drei Jahren bei Holstein Kiel im Sommer 2010 zurück ans Millerntor gekommen war und seitdem als Online-Redakteur in der Medienabteilung tätig ist, haben wir uns über die Aufstiegs-Saison und das Spiel in Nürnberg unterhalten.

Moin Hauke, 20 Jahre liegt der Aufstieg in Nürnberg schon zurück und Du warst in der Saison Teil des Teams. Wie gut kannst Du Dich noch an die Saison erinnern?

Recht gut, auch wenn ich nicht vom ersten Trainingstag an oben dabei war. Joachim Philipkowski, damals Co-Trainer bei den Profis und zugleich Cheftrainer der Amateure, hat mich im Spätsommer hochgezogen, sodass ich die ersten Wochen und auch Spieltage noch nicht dabei war. Rückblickend kann ich sagen, dass mein Wechsel zum FC St. Pauli keinen besseren Zeitpunkt hätte haben können, sonst hätte ich diese besondere Saison nicht miterlebt.

Im Sommer 2000 bist Du von Rasensport Elmshorn zu unseren Amateuren gewechselt. Hattest Du damit gerechnet, so schnell den Sprung zu den Profis zu schaffen?

Gehofft schon, gedacht nicht. Ich wusste, dass der Verein auf Talente setzt, Ivan Klasnić, Zlatan Bajramović und Christian Rahn hatten es in den Jahren zuvor ja geschafft. Ich habe mich bei den Amateuren von Anfang an voll reingehauen und konnte, auch dank einer geilen Mannschaft mit vielen richtig guten Jungs und super Typen, gute Leistungen abliefern. Dann sagte Piepel (Anm. d. Redaktion: Joachim Philipkowski) irgendwann, dass ich morgen nicht bei den Amateuren, sondern bei den Profis trainieren werde.

Wie aufgeregt warst Du?

Sehr! Ich kann mich noch gut an die Fahrt aus Wedel nach Eidelstedt erinnern. Mir gingen viele Sachen durch den Kopf, wie es gleich wohl sein wird und was mich erwartet. Die Profis haben damals am Steinwiesenweg in Eidelstedt trainiert, ein eigenes Trainingsgelände hatte der Verein noch nicht. Als ich da ankam, war die Aufregung schnell verfolgen. Ich war sehr überrascht, in was für einer Kabine sich die Profis umziehen mussten. Die bot Platz für vielleicht 20, 22 Personen, wir haben uns da mit ca. 30 Leuten reingequetscht. Hat aber irgendwie hingehauen, es war gemütlich. Und weil es sportlich ja auch lief, hat sich auch niemand die Köpfe eingeschlagen (lacht).

Über die damalige Mannschaft sagt man, dass sie den Aufstieg auch durch einen besonderen Teamgeist geschafft hat. Wie hast Du die Jungs wahrgenommen?

Erst einmal haben mich alle richtig super aufgenommen, die älteren Spieler haben mich immer auch mal zur Seite genommen und mir Tipps und Hilfestellungen gegeben. Innerhalb des Teams herrschten eine gute Stimmung und ein sehr gutes Miteinander. Auf dem Platz ging’s aber gerne auch mal richtig zur Sache, da war nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Da wurde kein Zweikampf hergeschenkt, sondern um jeden Ball gekämpft. Fußball gespielt wurde aber auch und das richtig gut, wie die Saison ja auch gezeigt hat.

Die Jungs um André Trulsen, Nico Patschinski & Co. haben losgelegt wie die Feuerwehr und haben begeisternden Offensivfußball gespielt.

Bei keiner anderen Mannschaft, wenn ich mich recht erinnere, fielen so viele Tore wie bei unseren Jungs. Weil Du Truller eben aufgezählt hast, der traf als Abwehrspieler in den ersten beiden Spielen gleich drei Mal. Da dachte ich, was ich das für ein Wahnsinns-Typ! Als ich mit den Jungs von Amateuren an einem Wochenende recht früh in der Saison, da war ich noch nicht oben dabei, auf dem Kiez in eine Kneipe rein bin, stand da auf einmal Truller hinterm Tresen und hat Bier ausgeschenkt. Ich bin erst aus allen Wolken gefallen, habe mir von ihm ein Bierchen einschenken lassen (lacht). In der Kneipe von Kult-Wirt 'Isi' durften auch andere Spieler mal hinterm Tresen 'arbeiten', ich durfte das irgendwann dann auch mal. Truller habe ich Wochen später von unserem ersten Treffen am Tresen erzählt und da musste er lachen.

André Trulsen spielte eine überragende Saison und trug maßgeblich zum vierten Bundesliga-Aufstieg bei.

André Trulsen spielte eine überragende Saison und trug maßgeblich zum vierten Bundesliga-Aufstieg bei.

Viel Freude gab es in der gesamten Saison, die dann am letzten Spieltag mit dem Spiel beim 1. FC Nürnberg gipfelte. Wie gut kannst Du Dich noch an den Tag erinnern?

Das kommt auf den Zeitpunkt des Tages an (lacht). Je später es wurde, umso schlechter kann ich mich erinnern. Das liegt daran, weil wir ganz anders gestartet sind, als ich es erwartet habe.

Na dann erzähl' mal.

Die Mannschaft, also der 18-Mann-Kader, war ja schon am Vortag nach Nürnberg gereist. Wir Spieler, die nicht zum Aufgebot zählten, haben uns mit der Vereinsführung am Hamburger Flughafen getroffen. Von da aus ging's mit ner kleinen Maschine nach Nürnberg. So weit, so gut. Nico Patschinski, der Gelb-gesperrt nicht dabei sein durfte, sagte zu mir, dass es ja nur zwei Optionen geben würde. Entweder wir steigen auf oder eben nicht. Und in beiden Fällen würden wir uns einen reinstellen. Entweder aus Frust oder vor Freude. Und so haben wir schon am Flughafen vor dem Abflug unser erstes Bier getrunken, das ging dann den ganzen Tag so weiter.

Wie war es dann im Stadion? Hast Du da dann überhaupt alles mitbekommen?

Das schon, ich habe mich ja nicht abgeschossen, sondern mit den anderen Jungs einen gewissen Pegel gehalten. Das war in Nürnberg dank des Zugangs zum VIP-Bereich möglich. Der sollte nach dem Spiel noch eine wichtige Rolle spielen.

Ist gemerkt, aber erst einmal zum Spiel. Wo warst Du während der Partie und wie hast Du es erlebt?

Wir hatten Zugang zu den Kabinen und durften auch in den Innenraum. So saß ich mit den anderen Nicht-Kader-Spielern links neben der Auswechselbank und habe die 90 Minuten von da aus verfolgt. Die Spannung war groß, das Bangen nach dem frühen Rückstand auch. Der Ausgleich von Dubi (Anm. d. Redaktion.: Dubravko Kolinger) kurz vor der Pause war psychologisch extrem wichtig, zumal Mannheim in Führung lag und zur Pause an uns vorbeigezogen war, wenn ich mich richtig erinnere.

Und dann köpft Deniz Baris eine Viertelstunde vor dem Abpfiff das 2:1. Wie hast Du diese denkwürdige Szene erlebt?

Das ging mir irgendwie zu schnell. Ich kann mich nur noch erinnern, wie der Ball im Netz lag, die mitgereisten FCSP-Fans durchgedreht sind und die komplette Bank aufgesprungen ist. Ich bin auch losgestürmt und weiß noch, wie Busfahrer Miroslav Zadach und ich uns auf dem Rasen in die Arme gefallen sind. Woran ich in dem Moment gedacht habe? Kein Ahnung! Ich habe mich aber extrem gefreut. Auch für Deniz Baris, der ein ganz feiner Kerl war und noch immer ist, Ihn treffe ich manchmal, wenn ich mit dem Hund unterwegs bin und er eine Runde joggt. Die Freude über sein Tor währte aber nicht allzu lang, von Trainer Dietmar Demuth gab's einen recht deutlichen Rüffel, dass das Spiel noch nicht vorbei ist und wir uns schnell wieder hinsetzen sollen. Das haben wir dann auch gemacht. Als das Spiel dann vorbei war, hat uns aber auch kein Demuth aufhalten können, da sind bei allen anderen und auch bei ihm alle Dämme gebrochen. Der Rest war Party auf dem Feld und vor allem vor dem Gästeblock. Da haben wir sehr lange mit den Fans gefeiert.

Co-Trainer Joachim Philipkowski umarmt nach dem Abpfiff den Siegtorschützen Deniz Baris, der seine Freude herausschreit.

Co-Trainer Joachim Philipkowski umarmt nach dem Abpfiff den Siegtorschützen Deniz Baris, der seine Freude herausschreit.

Und in der Kabine?

Das ging’s natürlich feuchtfröhlich weiter. Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Jungs ausgelassen gefeiert und die Sau rausgelassen haben. Einige haben den Erfolg aber auch etwas ruhiger genossen. In der Mitte der Kabine stand ein Tisch und auf dem recht schnell auch ein großes Fass Bier (lacht). Ich weiß gar nicht mehr genau, wie lange die Sause in der Kabine ging. Irgendwann hieß es aber, dass wir uns so langsam fertig machen müssen, weil der Bus bald da ist. Der kam aber nicht so schnell wie gewünscht.

Wieso? Und was habt Ihr in der Zeit gemacht?

Ich glaube, dass der einfach zu früh angekündigt wurde oder doch länger gebraucht hat, um an den Menschenmassen vorbeizukommen. Wir haben draußen in der Sonne gewartet. Da haben sich viele dann mal Zeit genommen, in Ruhe zu telefonieren. Weil es dann aber doch etwas länger als gewünscht dauern sollte, kam ein bisschen Kater-Stimmung auf, zumal auch unser Getränkevorrat aufgebraucht war. Da hatte ich dann eine Idee und habe mich davongeschlichen.

Lass mich raten: der VIP-Raum?

Absolut richtig! Ich bin also wieder rein ins Stadion und leider erst einmal in den falschen Raum. Als ich die Tür öffnete, habe ich nicht sofort gemerkt, dass da die Vereinsverantwortlichen beider Vereine zusammensitzen. Manager Stefan Beutel schickte mir einen grimmigen Blick zu und ich war wieder verschwunden. Den VIP-Raum habe ich anschließend noch gefunden und zu meiner großen Freude war niemand da! Ich bin also in Ruhe an den Kühlschrank, habe mir eine Kiste Bier stibitzt und bin damit raus. Der Jubel bei den Jungs war groß, als ich mit der Kiste um die Ecke kam. Ich war nur ein Mal im Kader, in der Hinrunde beim Heimspiel gegen Mainz 05, und hatte wahrlich keinen wirklichen Anteil am Aufstieg. In dem wenn auch kurzen Moment haben mich die Jungs für meinen Beitrag gefeiert und das war ein richtig gutes Gefühl. Wir haben gemeinsam angestoßen und die Kiste recht schnell auch leer gemacht. Dann kam auch der Bus an. Da saß ich dann neben Henning Bürger und der hat mir eine edle Holzkiste in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich auf die gut aufpassen soll.

Was war drin?

Die Meisterschale war’s nicht, wir sind ja 'nur' Dritter geworden. Es war eine große Flasche Champagner. Die sollte keiner anrühren und auf der Fahrt noch nicht öffnen, meine ich mich zu erinnern. Ich glaube aber auch, dass das nicht hingehauen hat. Im Flugzeug hatte ich das Teil irgendwie nicht mehr dabei (lacht).

Zurück in Hamburg ging's ohne Champagner dann wie weiter?

Ich meine, dass wir nicht durch die 'normalen' Gates aus dem Flughafen raus sind, sondern bei einem Ausgang in der Nähe des Lufthansa-Terminals. Da haben uns aber auch ein paar Fans empfangen. Dann sind wir in den Bus gestiegen und zum Stadion gefahren. Ab da werden meine Erinnerungen immer bruchstückhafter (schmunzelt). Wie wir aber auf die große Bühne auf dem Heiligengeistfeld rauf sind und mit den Fans gefeiert haben, weiß ich aber noch und das werde ich auch nicht mehr vergessen. Das war einfach nur geil. Ich hatte ein Jahr zuvor noch mit Elmshorn in der damals viertklassigen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein gespielt und nun stand ich auf dem Heiligengeistfeld mit dem gerade in die 1. Bundesliga aufgestiegenen FC St. Pauli auf einer Bühne und feiere mit knapp 30.000 Fans den Aufstieg. Kannste dir nicht ausmalen. Es wäre schon cool, noch mal einen solchen Aufstieg mitzuerleben. Wer weiß, vielleicht klappt's in den kommenden Jahren ja doch irgendwann mal wieder.

In der Kabine wurde der Aufstieg ausgelassen gefeiert - Hauke Brückner (2.v.l.) war mittendrin und feierte ordentlich mit.

In der Kabine wurde der Aufstieg ausgelassen gefeiert - Hauke Brückner (2.v.l.) war mittendrin und feierte ordentlich mit.

(ms)

Fotos: Witters / privat

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