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Joshi von ZSK im Interview: „Man darf die Hoffnung nicht verlieren“

Es gibt kaum eine Demo gegen Nazis, bei der das ZSK-Lied "Antifascista" nicht aus dem Lautsprecher-Wagen dröhnt. Die Berliner sind eine der wichtigsten politischen Punkbands der Republik. Mit dem FC St. Pauli verbindet die Band nicht nur die dieselben Werte, sondern auch eine lange Geschichte: Schon 2006 traten ZSK im alten Vereinsheim auf. Beim "100 Jahre FC St. Pauli"-Konzert im Millerntor Stadion waren sie mit einem "Kein Bock auf Nazis"-Stand vertreten, zum Geheimkonzert der Toten Hosen in den Fanräumen kamen sie als Gäste und natürlich ist das Jolly Roger ihre Lieblingskneipe in Hamburg. Zeit, die Band endlich mal zu einem Konzert in den Fanshop auf der Reeperbahn einzuladen. Bevor sie dort am Freitagabend (30.8.) für Ausnahmezustand sorgten, haben wir uns mit Sänger Joshi unterhalten. Über Rassismus, die politische Lage in Deutschland und über die Hoffnung, dass noch nicht alles verloren ist.

Joshi, schon 2006 habt Ihr mit ZSK im Vereinsheim des FC St. Pauli gespielt – ein ziemlich wilder Abend, oder?

Allerdings. Das alte Vereinsheim hatte ja eine ganz flache Bühne und war gar nicht für Konzerte ausgelegt. Schon als wir ankamen, dachten wir das wird ein Ritt. Während unserer Show sind die Leute dann die ganze Zeit auf die Bühne gefallen. Zum Glück sind keine Knochen kaputt gegangen, sondern nur ein bisschen Equipment. Ich habe sehr gute Erinnerungen an den Abend, das war eine richtig tolle Sause.

Was verbindet Euch mit dem FC St. Pauli?

Ganz generell hat uns als Jugendliche mit Fußball lange Zeit gar nichts verbunden. Fußballfans waren für uns Arschlöcher, Idioten und Leute, die einen verkloppen. Das war eine andere Welt, die mit unserer Punk-Welt total kollidierte. Aber dann haben wir 2005 auf der antirassistischen Fußball-WM in Italien gespielt, wo auch viele USPler waren und wir das erste Mal gemerkt haben, dass Fußball auch anders geht, nämlich in cool, links und in Verbindung mit Punk. Wenn wir heute ins Stadion gehen, dann zu St. Pauli oder Babelsberg 03. Das ist eine Art Fußball, die uns gefällt, weil es dort nicht nur um Sport geht, sondern um mehr. Und weil dort klar ist: Alle haben einen vernünftigen Grundkonsens was Nazis und Rassismus angeht.

Warum sollte Fußball politisch sein?

Beim Fußball sieht man doch besonders, wie divers eine Gesellschaft sein muss – nämlich daran, wie divers die Mannschaften sind. Das ist eigentlich eine Steilvorlage um zu sagen, hier hat Rassismus nichts zu suchen. Ganz egal, was du für eine Hautfarbe hast, wo du herkommst – Fußball ist weltweit ein verbindendes Element.

ZSK sind zweifellos eine der politischsten Bands Deutschlands…

Wir geben uns Mühe!

Der Gründung Eurer Band im Jahr 1997 ging eine von Rassismus geprägte Zeit voraus, in der zahlreiche Brandanschläge auf Ausländer verübt wurden. Inwiefern hat Euch das damals beeinflusst oder vielleicht zur Gründung der Band beigetragen?

Ich weiß noch, wie ich damals in der Tagesschau gesehen habe, wie in Rostock Lichtenhagen diese rassistischen Pogrome liefen. Das hat mich als kleiner Junge total geschockt. Als wir die Band gegründet haben, war diese Welle rassistischer Gewalt aber schon wieder etwas abgeebbt, zumindest medial. Damals galt es fast als überholt, sich gegen Nazis zu engagieren. Aber in unserer Heimat Göttingen haben wir es immer sehr nah erlebt. Thorsten Heise hatten ja die neonazistische „Kameradschaft Northeim“ und es gab oft gewalttätige Auseinandersetzungen. Ich habe mich schon damals gefragt, wie es kommt, dass Leute dieser Ideologie folgen und einen Hass auf Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion haben. Deshalb habe ich auch angefangen, Politik zu studieren.

Hast Du Antworten gefunden?

Da spielen ja ganz viele Sachen rein. Niemand sagt mit 15 plötzlich ‚oh, da ist ein Flyer von der NPD, den lese ich mir mal durch und dann werde ich rechtsextrem‘. Das hat für viele Jugendliche erst mal gar nichts mit Politik zu tun, sondern mit einer rechtsextremen Erlebniswelt, die angeboten wird. Im ländlichen Raum übernehmen Nazi-Kameradschaften ja zum Teil die Jugendarbeit, weil die Zivilgesellschaft und die Kulturschaffenden sich zurückgezogen haben. Dann gehen die Kids halt nicht mit dem THW oder den Pfadfindern wandern, sondern mit den Nazis.

Wie nimmst Du die derzeitige Situation in Deutschland wahr?

Naja, man muss sich ja nur die Wahlergebnisse angucken. Die Scheiße ist echt wahnsinnig am Dampfen. Bisher haben viele gesagt ‚das geht mich nichts an‘, aber so langsam geht es ans Eingemachte. All die Jahre, in denen wir Musik machen, waren militante Neonazis oder die NPD ein Thema – aber man musste nie Sorge haben, dass die NPD wirklich in den Bundestag kommt. Die Situation, die wir jetzt haben, hätte ich mir nie vorstellen können und so brenzlig war es seit 1945 nicht.

Weil Rechtspopulismus gesellschaftstauglich geworden ist?

Genau. Die AfD dreht an ganz anderen Hebeln als die NPD. Früher haben Burschenschafter und Nazis in ihrer Freizeit politisch rechtsextreme Arbeit gemacht, heute haben die einen Vollzeitjob bei der AfD, mit krass viel Geld und krassen Möglichkeiten. Das ist eine ganz andere Schlagkraft, die die AfD hat. Die AfD hat auch genau rausgefunden, wer sich gegen Rassismus gerade macht und die versuchen sie gezielt zu bekämpfen. Das ist kein Zufall, was die machen, sondern eine sehr durchdachte Strategie.

Was können oder müssen wir tun?

Allianzen bilden und gucken: Wer macht sich überhaupt noch gerade für die Menschenrechte und Demokratie? Das klappt in manchen Fällen sehr gut, da alle zusammenzuführen – über alle Kontroversen, die es untereinander manchmal gibt, hinweg. Die Unteilbar-Demos sind ein tolles Beispiel, wie das funktionieren kann. Diese Allianzen müssen wir weiter finden und stärken. Und gleichzeitig natürlich die AfD-Wähler, die noch nicht jenseits von jeder Argumentation sind, einsammeln und überzeugen. Wir kriegen von Fans oft mit, dass das gar nicht so weit weg ist. Das ist der Onkel, die Tante, der Vater.

2005 habt Ihr "Kein Bock auf Nazis" gegründet. Hättet Ihr gedacht, dass die Kampagne so lange läuft und 2019 relevanter ist denn je?

Beides nicht! Das ist eine riesige Kampagne geworden. Wir haben jedes Jahr über 100 Info-Stände bei Konzerten und Festivals und ballern jeden Tag tausende Aufkleber und Poster raus. Wir wollen damit den Jugendlichen, die sich schon engagieren, Mut machen, und zudem andere motivieren, aktiv zu werden und etwas zu tun. Manchmal schreiben uns Leute, irgendwelche Kids würden die "Kein Bock Auf Nazis"-T-Shirts nur kaufen, weil sie cool aussehen oder Sammy von den Broilers auch eins an hatte. Aber damit habe ich kein Problem. Denn wenn diese Kids das Shirt in der Schule anziehen und von rechten Mitschülern angesprochen werden, dann müssen sie sich Gedanken machen und argumentieren. Wir brauchen mit der Kampagne nicht in die Rote Flora gehen, weil die Leute dort schon Bescheid wissen. Ich will den 15-jährigen Toten-Hosen-Fan, der sich politisch noch nicht groß mit der Welt auseinandergesetzt, erreichen. Er soll wissen: Gegen Nazis sein ist cool und wichtig. Der Rest kommt dann von alleine.

Passenderweise trägt Euer 2018 veröffentlichtes Album den Titel "Hallo Hoffnung". Warum?

Weil es zwar furchtbare Zeiten sind, man die Hoffnung aber nicht verlieren darf. Natürlich denke ich ‚Alter, was ist hier los?', wenn man den brennenden Amazonas sieht oder wieder ein rechtes Schwein an die Macht gewählt wurde. Aber wenn wir uns in Städten, in denen wir spielen, mit Antifa-Gruppen treffen, uns mit Pro Asyl austauschen oder sehen, was mit Unteilbar passiert – da sind auch immer noch wahnsinnig viele Leute, die sich stark machen. Die nicht aufhören und verzweifeln, sondern weiter Hoffnung haben, dass alles besser wird. Das Album ist für genau diese Leute geschrieben.

Ihr habt gerade in Israel gespielt, im November geht es nach Russland. Manche Bands meiden diese Länder, warum spielt Ihr dort trotzdem?

Falls wir in Russland im Gefängnis landen, muss der FC St. Pauli uns irgendwie helfen (lacht)! Wir spielen einfach für Punks, und zwar weltweit. Wenn coole Punk-Kids in Israel eine Show organisieren, dann kommen wir und in Russland genauso. Ich finde es fantastisch, dass dieses Punk-Ding weltweit funktioniert. Man kann sich über jede Sprachbarriere hinweg mit Punks treffen und man hat über die Musik die gleiche Sprache – ähnlich wie beim Fußball.

Was kann Musik verändern?

Ich werde oft gefragt, ob Musik die Welt verändern kann. Ich glaube man darf das nicht über-, aber auch nicht unterschätzen. Musik kann ein Soundtrack für eine soziale Bewegung sein. The Clash, Rage Against The Machine, Public Enemy – das war der Soundtrack zu den ganzen Protestbewegungen damals. Dass jetzt unser Song "Antifascista" auf Demos läuft und wir aus der Ferne etwas beitragen können, macht mich stolz.

 

Interview: Nadine Wenzlick 

Fotos: Ben Wessler

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