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Kiezbeben-Geschichten: Jung-Kiezkicker vs. Nationalmannschaft

Auf über 600 Quadratmetern erzählt die große Ausstellung "KIEZBEBEN  – die zweite Geburt des FC St. Pauli" im FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade, wie der FC St. Pauli wurde, was er heute ist. Aufwändig inszeniert und recherchiert, lässt sie ihre Besucher braun-weiße Geschichte und Geschichten neu erleben – mit etlichen Original-Ausstellungsstücken, in Film, Foto und Text. Einige der schönsten KIEZBEBEN-Stories erzählen wir hier auf fcstpauli.com. Diesmal geht es um ein ungleiches Duell – das zum Zeichen der Hoffnung wurde.

„Im Tor steht Punker Ippig – und hofft, es wird nicht üppig“, reimte ein Hamburger Boulevardblatt, und freute sich auf das ungewöhnliche Spiel, das da im Millerntor-Stadion stattfinden sollte. Wer das war, dieser „Punker Ippig“? Auch das stand da: „Ein Junge schneidet sich die Haare mit der Rosenschere. Hört Platten von ‚rotzkotz‘. Sein Lieblingsfilm heißt ‚Nackt und zerfleischt‘ – aber Volker Ippig (18) ist ein ganz ruhiger, netter Typ. Und steht morgen früh im Tor von St. Paulis A-Jugend gegen die deutsche Nationalmannschaft.“

Ungleiches Duell: Volker Ippig als A-Jugendlicher gegen Kalle Rummenigge als Nationalspieler.

Ungleiches Duell: Volker Ippig als A-Jugendlicher gegen Kalle Rummenigge als Nationalspieler.

Das ungleiche Duell war ein Testspiel: Im April 1981 trat die deutsche Nationalmannschaft unter dem damaligen Trainer Jupp Derwall zum Testspiel gegen die A-Jugendlichen des FC St. Pauli an. Der steckte damals in der vielleicht schwersten Krise der Vereinsgeschichte: 1979 hatte der DFB die Kiezkicker per Lizenzentzug in die 3. Liga zwangsversetzt. Sponsoren wandten sich ab. Ins Stadion kamen teils weniger als 1.000 Zuschauer.

Da war die Jugendarbeit so gut wie der einzige Hoffnungsschimmer: Vor ihrem ungewöhnlichen Testspiel standen die A-Junioren mit Spielern wie Volker Ippig und Jürgen Gronau bereits als Hamburger Meister fest. Und sorgten in diesem April zusammen mit der Star-Power von Nationalspielern wie Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge dafür, dass das Millerntor ausnahmsweise einmal wieder aus allen Nähten platzte: 25.000 Zuschauer kamen – und sorgten für einen weinenden Schatzmeister. Denn der DFB hatte den St. Paulianern verboten, Eintritt zu verlangen. Und so war statt klingelnder Kasse mühseliges Spendensammeln angesagt.

Auflaufen der Teams – die jungen Kiezkicker schlugen sich wacker gegen die vermeintlich überlegene Nationalmannschaft.

Auflaufen der Teams – die jungen Kiezkicker schlugen sich wacker gegen die vermeintlich überlegene Nationalmannschaft.

Aber hatten die jungen Kiezkicker gegen die besten Spieler Deutschlands überhaupt eine Chance? „Wenn wir unter 20 kriegen, ist’s gut“, orakelte der junge Ippig realistisch, und Jugendcoach Helm stapelte ebenfalls tief: „Wir werden nicht mauern. Mein Tip ist 1:14“. Hatten sie recht? Von wegen! Die Jungspunde schlugen sich mehr als wacker „Punker“ Ippig bot eine Parade nach der nächsten, ein milchgesichtiger Jürgen Gronau verteilte wie ein alter Hase die Bälle im Mittelfeld. Nur zweimal Rummenigge, Fischer, Briegel, Hannes und Kaltz trafen, und so kamen die A-Junioren vor großer Kulisse mit einem achtbaren 0:6 davon.

Übrigens gegen einen Gegner, der – ein bisschen wie viel später auch der SV Werder Bremen in einem berühmten „Bokal“-Spiel – sich gegen die rauen Millerntor-Bedingungen schützte: Derwalls Team trat in langen Hosen an. Die St. Paulianer in kurzen. „Damit wollten sie angeblich Verletzungen vorbeugen“, erinnert sich der damalige Liga-Obmann Hermann Klauck (von dem die Farbfotos in diesem Artikel stammen).

Mehr braun-weiße Geschichten und Schätze gibt’s in der KIEZBEBEN-Ausstellung im FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade!

Mehr braun-weiße Geschichten und Schätze gibt’s in der KIEZBEBEN-Ausstellung im FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade!

Es zeigte sich also: Dass der FC St. Pauli aufgrund seiner knappen Kassen den Kader der Erstligamannschaft mit A-Jugendlichen auffüllen musste, war eher Segen als Fluch. Denn diese A-Jugend hatte es in sich. Und war der Kern des Kaders, der wenige Jahre später das sportliche KIEZBEBEN auslösen sollte. Wollt Ihr mehr Geschichten aus der Zeit hören, in der der FC St. Pauli wurde, was er heute ist? Dann nichts wie hin ins FC St. Pauli-Museum!

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KIEZBEBEN. Immer Mittwoch und Freitag von 12 bis 20 Uhr, Donnerstag von 12 bis 22 Uhr (KIEZBEBEN-Nächte) sowie Sonnabend und Sonntag von 11 bis 19 Uhr im FC St. Pauli-Museum (Heiligengeistfeld 1). Hin da, es lohnt sich!

Mehr Infos:

 

Text: 1910 e.V.

Fotos: Hermann Klauck im Archiv 1910 e.V. / Witters

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