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Kommentar: Ist das Dein Ernst, Europa?

Seit Freitagabend (25.9.) ist das Fußballcamp Kick the Borders ist Geschichte. Fünf Tage lang wurde in Syrakus Fußball gespielt. Junge Geflüchtete und einheimische Jugendliche standen auf dem Platz und kickten sich die Bälle zu, klatschen ab und jubelten zusammen. Menschen, die vor dieser Woche nicht einmal im Traum daran gedacht haben, Zeit miteinander zu verbringen, trafen sich jeden Tag, um einfach nur Sport zu machen. Vergessen waren die persönlichen Hintergründe und all die Vorurteile, die auf beiden Seiten herrschen. Es ist so verdammt einfach. Warum? Weil alle Menschen sind. Was unterscheidet sie? Ihr Geburtsort! Ein Kommentar eines Teilnehmers des FC St. Pauli am Kick-the-Borders-Fußballcamp.

Die einen werden auf einem Kontinent geboren, der ihnen die Möglichkeit gibt, sich persönlich zu entfalten und in der Regel eine angemessene Bildung zu erlangen, für eine Zukunft mit gesicherten Grundbedürfnissen. Dazu gehören Freiheit, soziale Interaktion, Einkommen und schlicht und ergreifend Essen und Trinken. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die werden in Ländern geboren, in denen Krieg herrscht, in denen unter anderem die europäische Kolonialpolitik für absurde Machtverhältnisse gesorgt hat und westliche Wirtschaftsunternehmen Märkte mit ihrem Geld und ihrer Macht destabilisieren und vor allem Menschen vor Ort jegliche Grundlage entziehen, sich eine eigene Zukunft aufzubauen.

Das alleine macht schon unglaublich wütend. Fassungslos wird man aber dann, wenn man vor Ort in die Gesichter der Menschen schaut, die den lebensgefährlichen Weg durch die afrikanische Wüste, den „Failed State“ Libyen und über das Mittelmeer auf sich genommen haben. Sie haben den Tod in Kauf genommen, um ein lebenswertes Leben zu führen. Und dann tut dieses Europa alles, damit diese Menschen hier keinen Fuß fassen können. Die Außengrenzen werden verstärkt, die libysche Küstenwache wird aufgerüstet und die private Seenotrettung wird schikaniert. Lieber sie verrecken im Meer, als dass sie europäischen Boden betreten. Ist das die Devise? Ist das Dein Ernst, Europa?

Schaffen diese Menschen trotzdem den Weg aufs europäische Festland, platzt der Traum vom gelobten Land wie eine Seifenblase. Viele von ihnen erhalten keine Aufenthaltsgenehmigung, müssen das Land eigentlich verlassen, schaffen das ob der fehlenden Mittel aber nicht. Es bleibt die Obdachlosigkeit, die illegale Arbeit auf Feldern und das Durchschlagen mit banalen Gelegenheitsjobs oder Kriminalität.  Von menschenwürdiger Behandlung in der Gesellschaft ganz zu schweigen. Und der Staat schaut weg. Ein Bewohner der Kirche von Padre Carlo erzählte nach der Woche, dass er sich das erste Mal seit langer Zeit wieder als normaler Mensch behandelt gefühlt hat. Und das auf einem Kontinent, der sich mit seiner Fortschrittlichkeit, seiner Humanität und seiner Freiheit brüstet? Dieses Europa lässt Menschen im Stich, die Hilfe brauchen.

Am Ende ist es also der Zufall, der entscheidet, was für ein Leben wir führen. Und das bei all den Mitteln, dem Überfluss und der Verschwendung, die die westliche Welt für sich beansprucht. Das enttäuscht, macht wütend und ist nicht fair. Über Lösungen wurde schon häufig diskutiert. Wie wäre es zu Beginn mit ein bisschen Menschlichkeit?

 

(lf)

Foto: Ben Wessler

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