Andreas Rettig: „Es geht nur um eins: Den Kopf über Wasser halten“
Montag, 14. November 2016, 16:00 Uhr
Seit Mittwoch (2.11.) und damit seit fast zwei Wochen ist Andreas Rettig nicht nur als kaufmännischer Geschäftsleiter, sondern auch als Sportchef für den FC St. Pauli tätig. Am Tag nach der Mitgliederversammlung äußerte sich der 53-Jährige erstmals ausführlich zu seiner Doppelfunktion, den damit verbundenen Aufgaben und zur aktuellen sportlichen Situation.
„Als ich abends nach Hause kam und von den zusätzlichen Aufgaben berichtet habe, sagte meine Frau, ob jetzt wieder die Zeit beginnt, wo sie mich nur als Bild auf dem Nachttisch sieht“, stellte Andreas Rettig, der nach der Freistellung von Thomas Meggle neben der Tätigkeit als kaufmännischer Geschäftsleiter kommissarisch auch den Posten des Sportchefs innehat, zunächst mit einem Augenzwinkern klar. „Wenn man jemanden braucht, der die Aufgabe schnell übernehmen kann, dann kann man die Entscheidung des Präsidiums gut verstehen. Es ist aber auch klar besprochen, dass es spätestens bis Saisonende der Fall sein wird“, so Rettig zu seiner Doppelfunktion, die er dank „einer guten Struktur“ innerhalb der Geschäftsstelle und fähiger Bereichsleiter, die selbstständig Entscheidungen treffen können, im kaufmännischen Bereich meistern will. Dies sei eine wichtige Entlastung für Rettig.
Die neue Aufgabe sei „nicht geplant“ gewesen, der Job nicht „fremd“, hatte er diesen Posten doch bereits beim SC Freiburg, 1. FC Köln und FC Augsburg inne. Bei den vorherigen Stationen konnte Rettig stets perspektivisch arbeiten und dies sei der große Unterschied zur aktuellen Situation: „Es ist etwas Neues für mich. Jetzt zählen nicht die Perspektive und Ausrichtung. Es geht nur um eins: Den Kopf über Wasser halten. Dem ist alles unterzuordnen. Wir müssen mindestens zwei Mannschaften hinter uns lassen.“ Um in der Rückrunde eine gute und realistische Chance zu haben, müsse in den fünf Partien bis zur Winterpause unbedingt gepunktet werden, sonst werde es laut Rettig schwer.
Wie sieht es mit der Nachfolge für den Posten des Sportdirektors aus? Rettig erklärt: „Dafür habe ich keine Zeit, das ist die Kernaufgabe von Präsidium und Aufsichtsrat.“ Rettig geht aber davon, dass seine Meinung zu möglichen Kandidaten nachgefragt werde. Erst einmal gehe es für Rettig aber darum, „als Partner und Dienstleister des Trainerteams und der Mannschaft“ bereitzustehen. „Das habe ich immer so gehalten. Meine Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, um der Mannschaft und dem Trainerteam zu helfen.“
Rettig wird zukünftig nicht jeden Tag am Trainingsgelände sein, er begründet: „Mit Olaf Janßen, der in Abstimmung mit Ewald Lienen positiven frischen Wind reingebracht hat, haben wir eine Verstärkung dazu bekommen. Wir haben genügend Fußballkompetenz auf dem Platz. Da muss ich nicht noch Trainingseinheiten analysieren, das ist nicht meine Aufgabe. Der Schwerpunkt meiner Arbeit ist es, Ansprechpartner für Ewald Lienen, der die Gesamtverantwortung für die Mannschaft trägt, zu sein.“ Dabei wolle Rettig als „Sparringpartner“ für Lienen fungieren, der ihm seine Eindrücke mitteilt und mit ihm diskutiert. Dies sei in den letzten Tagen bereits mehrfach der Fall gewesen.
„Wichtig ist mir auch, ein Gespür dafür zu bekommen, was in der Mannschaft passiert. Da hat und wird es Gespräche geben. Wichtig ist aber, der Chef ist immer der Trainer. Zu mir muss kein Spieler kommen und sagen, dass zu hart trainiert wird oder er auf der falschen Position spielt. Wenn jemand nachts Hilfe beim Reifenwechseln braucht, kann er mich anrufen“, so der 53-Jährige, der sich über das Zutrauen aus dem Umfeld nach der Entscheidung, kommissarisch auch den Posten des Sportchefs zu übernehmen, gefreut hat.
Wie geht’s personell weiter? Werden in der Winterpause Transfers getätigt? Rettig stellt klar: „Mit uns wird es in der aktuellen Konstellation keine unvernünftigen Dinge geben. Wir haben eine Verantwortung für mehr als 120 Vollzeitbeschäftigte. Es wird hier keine Hasardeur-Mentalität geben. Es wird alles versucht, dass wir die Klasse halten. Wir sondieren den Markt, müssen am Ende aber kluge Entscheidungen treffen und abwägen, ob derjenige, der im Winter zu uns kommt, einen größeren Erfolg verspricht als der, den wir haben.“ In dem Punkt merkte Rettig an, dass die bisherige Saison vom Thema Verletzungen überstrahlt wurde. „Wenn die Verletzten wieder zurückkommen, sind wir ganz anders aufgestellt und dann liegt die Latte auch höher“, so der 53-Jährige, der von positiven Signalen hinsichtlich der zeitnahen Rückkehr einiger Kiezkicker sprach. „Wenn sie auf den Platz zurückkommen, sind wir einen großen Schritt weiter.“
Unglaublich positiv gestimmt war und ist Rettig nach der Mitgliederversammlung: „Nach schlechten Leistungen und einer schlechten Punkteausbeute war diese von der ersten bis zur letzten Minute von einem Wir-Gefühl und einem Schulterschluss geprägt. Es waren positive Reaktionen in Richtung Mannschaft und Trainerteam. Ich bin danach nach Hause gefahren und habe gedacht, ich bin im richtigen Club.“
Das komplette Pressegespräch mit Andreas Rettig ist ab sofort im Video bei fcstpauli.tv abrufbar.
(hb)
Fotos: Witters