"Das kann man nicht in drei Tagen perfektionieren"
Montag, 15. April 2019, 15:00 Uhr
Auf das erste Spiel als Cheftrainer unseres FC St. Pauli am Sonntag (14.4.) gegen Arminia Bielefeld folgte für Jos Luhukay am Montagmittag (15.4.) auch schon die erste Presserunde nach einem Ligaspiel. Dabei nahm sich der 55-Jährige viel Zeit und sprach unter anderem über...
...das 1:1 gegen die Arminia:
"Wir haben mit hohem Pressing versucht anzusetzen und haben mit sechs Spielern weit vorne hoch verteidigt, um den Gegner unter Druck zu setzen. Bielefeld hat das in der ersten Halbzeit aber sehr gut gelöst, auch weil deren Torwart sehr gut mitgespielt hat. Bei Ballverlusten haben wir einige Male zu viel Raum gelassen, davon hat Bielefeld profitiert. In der zweiten Hälfte hatten wir eine sehr gute Ordnung und haben eine starke Stabilität gefunden. Bielefeld hatte erst in der Nachspielzeit eine Chance. Das zeigt, wie fokussiert und zielstrebig die Mannschaft in der zweiten Halbzeit gespielt hat. Die Mannschaft hat den absoluten Willen gezeigt und ausgestrahlt, das Spiel gewinnen zu wollen."
...sein Debüt als FCSP-Cheftrainer:
"Nach außen war ich cool und habe mir nichts anmerken lassen, aber innerlich habe ich mich sehr auf das Spiel gefreut. Mein erstes Spiel für Borussia Mönchengladbach als Cheftrainer war auch gegen Arminia Bielefeld. Ich meine, dass wir mit 3:1 gewonnen haben. Das hatte ich im Hinterkopf und habe gedacht, dass ich das mit St. Pauli auch erlebe. Leider haben wir gestern das zweite oder dritte Tor nicht gemacht."
...die Aufstiegsambitionen:
"Wir wollen die verbleibenden Spiele so gut wie möglich absolvieren und alles mitnehmen, was möglich ist. Jetzt sind es noch fünf Spiele, diese wollen wir mit Professionalität und Intensität angehen. Reicht es dann für Platz drei, würden wir uns tierisch freuen. Aber wenn es nicht so kommt, dann sehe ich die Spiele als Vorlauf für die nächste Saison an."
...die von Angriffspressing geprägte Spielweise:
"Wir wollen den Gegner grundsätzlich hoch und aggressiv unter Druck setzen und zu Fehlern zwingen. In Ballbesitz wollen wir aber mehr Ruhe bekommen. Die Mannschaft wollte gegen Bielefeld zu schnell zu viel und hat so in einigen Situation zu überhastet agiert. Wir sind ein hohes Risiko eingegangen und wenn Bielefeld das zweite Tor gemacht hätte, wäre es wahrscheinlich nicht mehr dazu gekommen, einen Punkt zu holen. Wir wollen das hohe Angriffspressing aber und wir wollen zwingender im Spiel nach vorne agieren. Es besteht ein Zusammenspiel zwischen guter Defensiv- und Offensivarbeit. Das braucht Zeit, das kann man nicht in drei Tagen perfektionieren. Es ist immer davon abhängig, wie schnell die Spieler das aufnehmen und verinnerlichen. Sie sind keine Maschinen, die ich an- und abschalten kann. Normal dauert eine Vorbereitung sechs Wochen und danach braucht man auch noch seine Zeit, um die Art Fußball umzusetzen, die man erreichen will."
...die Bedeutung der nächsten Wochen mit Blick auf die neue Saison:
"Für mich sind die nächsten Wochen ein Vorlauf, um eine Einschätzung zu bekommen, mit welcher Qualität ich in den kommenden Wochen arbeiten kann. Das gilt für die Spieler, für das Trainerteam, für das Funktionsteam und die medizinische Abteilung. Ich kann alle besser kennenlernen und hoffe, dass wir im Hinblick auf die neue Saison so gerüstet sind, dass wir in den kommenden Wochen bezüglich Neuzugängen und Abgängen die richtigen Entscheidungen treffen werden. Wir werden in den nächsten Wochen hochintensiv daran arbeiten, diese Saison so gut wie möglich zu absolvieren und eine schlagkräftige Mannschaft für die neue Saison zu haben."
...die ersten Tage als Cheftrainer:
"Ich bin positiv überrascht gewesen – gerade was die Zusammenarbeit mit dem gesamten Team um mich herum angeht. Jeder ist hier sehr engagiert und bemüht, um die verbleibenden Spiele so gut wie möglich zu bestreiten. Ich spüre einfach, dass hier alle miteinander das wollen. Am Ende ist es das Allerwichtigste, dass die Mannschaft uns und allen im Stadion das in der zweiten Halbzeit auch gezeigt hat. Als Team müssen wir alles so gut vorbereiten, dass die Mannschaft auf dem Rasen das zeigt, was wir tagtäglich vorleben müssen. Ich bin sehr froh, dass ich hier bin und mit den Kollegen und Menschen, die für den Verein arbeiten, mitwirken kann. Ich hoffe, in der Zukunft viel Freude und positive Erlebnisse miterleben zu dürfen."
...seine Verbindung zu Geschäftsleiter Andreas Rettig und Co-Trainer Markus Gellhaus:
"Mit Markus und Andreas verbindet mich eine lange und erfolgreiche Vergangenheit. Wären die beiden nicht hier, wäre ich nicht für die letzten sechs Spiele gekommen, weil ich die Gegebenheiten und die interne Situation nicht kannte und ich die Mannschaft mental nicht einschätzen konnte. Viele Spieler kenne ich, aber ich konnte den mentalen Bereich nicht erkennen. Sowohl von Andreas als auch von Markus habe ich natürlich viel mitbekommen."
...den Kontakt zum FC St. Pauli:
"Ich habe nicht nur mit Andreas und Markus gesprochen, ich habe auch mit Präsident Oke Göttlich hervorragende Gespräche geführt – auch schon in der Vergangenheit. Das ist bei mir im Hinterkopf hängengeblieben. Wir haben uns situativ mal getroffen und gesprochen. Ich hatte immer mal Kontakt zu Oke und Andreas. Das Kennenlernen mit Oke war von sehr viel Respekt geprägt, es waren positive Gespräche. Dadurch ist wohl auch der Schritt zu meiner Person gekommen. Das hat mich natürlich gefreut."
...Vorgänger Markus Kauczinski:
"Er hat gute Arbeit gemacht, ist mit St. Pauli letzte Saison in der Liga geblieben und hatte ein sehr gutes erstes Halbjahr. Für keinen Trainer ist es schön, die Botschaft zu bekommen, seinen Platz zu räumen. Ich spreche da auch aus Erfahrung. Der Trainer ist am Ende das schwächste Glied."
...die Suche nach einer Wohnung:
"Das stelle ich noch mal zurück. Erst einmal ist es wichtig, in den nächsten fünf Wochen erfolgreich zu sein. Wir wollen die fünf Spiele fokussiert angehen. Im Juni habe ich dann Zeit. Ich hoffe, dass ich vor dem Trainingsstart eine Wohnung gefunden habe."
...die Zukunft:
"Mittlerweile ist es ein so schnelllebiges Geschäft, dass man eigentlich nicht mehr über die Zukunft sprechen kann. Ich möchte das aber schon. Wie jeder Mensch habe auch ich Visionen. Ich kann nur sagen, dass ich hier sitze, weil der FC St. Pauli ein fantastischer Club mit einem enormen Fanpotenzial und einer enormen Atmosphäre im Stadion ist. Ich will darüber hinaus zwei total erfolgreiche Jahre erleben."
(hb)
Fotos: Witters