Janßen: "Die Jungs sind an ihre Leistungsgrenze gegangen"
Mittwoch, 19. Juli 2017, 06:00 Uhr
Zum Ende des Trainingslagers in Maria Alm blickte Cheftrainer Olaf Janßen nicht nur auf die vergangenen zehn Tage in Österreich zurück. Der 50-Jährige äußerte sich zudem ausführlich über...
... über die Bedingungen in Maria Alm:
„Ich hatte ja Informationen darüber, was letzten Sommer gut lief und was verbessrungswürdig war. Im Vorfeld gab es einen angenehmen Austausch. Alle Schrauben, an denen man drehen konnte, wurden gedreht. Das wurde sensationell gemacht. Die Bedingungen sind ganz nah dran am Optimum für eine Fußballmannschaft. Die ganze Struktur mit den Hütten ist ideal. Die Jungs sind dort zusammen, abends kann man nochmal am Feuer zusammenkommen und miteinander sprechen. Wir haben kurze Wege, einen super Platz und das Essen ist eine Eins mit Sternchen. Dass der Platz 20 Minuten weg ist, hat nicht gestört. Bei der Umgebung hier fällt es leicht, sich wohlzufühlen. Wenn man das Trainingslager toppen will, muss man sich schon was einfallen lassen. Die Gastfreundschaft war außergewöhnlich.“
...über den sportlichen Wert des Trainingslagers:
„Sportlich kann ich ein durchweg positives Fazit ziehen. Wir sind mit dem Trainingslager in die wichtigste Phase der Saisonvorbereitung eingetaucht. Das heißt: viele Trainingseinheit und viele Besprechungen mit den Spielern. Wir haben uns fast 24 Stunden am Tag mit Fußball beschäftigt, die Jungs sind an ihre Leistungsgrenze gegangen. Sie haben in den beiden Testspielen das umzusetzen versucht, was wir besprochen haben. Bis auf die Frische, die verständlicherweise gefehlt hat, war ich mit den Auftritten sehr zufrieden. Die Chancenverwertung ist auch ein Thema, an dem wir arbeiten müssen, aber das hat auch immer mit dem körperlichen Zustand und der Frische zu tun. Von daher war das auch nicht unnormal. Alle anderen Dinge sind auf dem Weg, die Jungs ziehen voll mit. Alle haben mir gezeigt, dass jeder möglichst in die Startelf will. Da war es egal, ob U23-Spieler oder Stammspieler aus der letzten Saison. Es war eine sehr gute Energie im ganzen Kader festzustellen. Wir sind im Prinzip ohne Muskelverletzungen durchgekommen. Das zeigt eine gute Trainingssteuerung. Alle Spieler, die während des Trainingslagers angeschlagen waren, können am Donnerstag quietschfidel auf dem Platz stehen.“
...über taktische Experimente:
„Wir sind auch da auf einem guten Weg. Die Jungs haben das angenommen. Da geht es ja auch darum, sich nicht gegen etwas zu sträuben. Wenn wir im Ballbesitz sind, haben wir auch in den letzten Monaten schon sehr variabel gespielt – gewissermaßen ohne System. Die Spieler haben sich zwischen den Linien bewegt, um dem Gegner das Verteidigen schwerer zu machen. Gegen den Ball kann man in verschiedenen Grundformationen agieren. Ich habe den Jungs klargemacht, dass die taktische Ausrichtung von verschiedenen Faktoren abhängt, beispielsweise wer in der Startelf steht oder gegen welchen Gegner es geht.“
...über die Neuzugänge:
„Ich bin sehr angetan, wie sich Sami mit seiner Erfahrung einbringt. Er bereichert unser Offensivspiel und macht uns schwerer ausrechenbar. Man hat das Gefühl, er sei schon immer da. Luca hat alle meine Hoffnungen und Erwartungen erfüllt. Man sieht, welches Potential in dem Jungen steckt. Er muss das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit haben, die er bei seiner Qualität haben darf und das brutal auf den Platz bringen. Da mache ich mir keine Sorgen. An dem Jungen werden wir noch viel Freude haben. Und Schoppe ist eine Maschine. Gegen den spielt keiner gerne, auch nicht im Training. Das muss er beibehalten. Was er bei uns noch lernt, ist das Spiel mit dem Ball. Aber da ist er bisher immer mutig geblieben. Das wird er in den Griff kriegen.“
...über den Teamgeist:
„Der Umgang miteinander ist tatsächlich außergewöhnlich und für mich der Hauptgrund, warum wir so eine gute Rückrunde gespielt haben. Die älteren Spieler ziehen die anderen mit. Keiner ist sich selbst zu wichtig, jeder hat die gesamte Mannschaft im Blick. Das ist sicherlich ein Pfund, das wir haben. Das wurde nicht nur in die Saisonvorbereitung weitergetragen, sondern hat sich durch die drei Neuzugänge noch vertieft. Sami, Luca und Schoppe passen wie die Faust aufs Auge. Die Jungs haben Spaß bei ihrer Arbeit. Wie stabil so ein Gebilde ist, sieht man immer erst, wenn es mal schlecht läuft. Das wollen wir natürlich vermeiden, nichtsdestotrotz werden in der Saison Steine kommen, die wir wegräumen müssen.“
...über den neuen Sportchef Uwe Stöver:
„Es ist für mich wichtig, jemanden an meiner Seite zu haben, der mit mir kämpft. Ich hatte schon einige Gespräche mit Uwe und war von Anfang an mit eingebunden. Der Austausch war rege und ich habe ein sehr gutes Gefühl. Uwe kennt sich im Geschäft aus. Seine Ruhe und seine Loyalität gegenüber seinen Mitarbeitern zeichnen ihn aus. Er hat immer versucht, seine Trainer maximal zu unterstützen. Ich freue mich darauf, wenn er loslegt. Dann greifen wir an.“
...über den neuen Kapitän Bernd Nehrig:
„Die Kapitänsfrage war bei dieser Mannschaft ein einfaches Thema, weil die Struktur einfach stimmt. Bernd und sein Vize Lasse verkörpern auf herausragende Art und Weise das, wofür wir stehen. Beide sind schon lange beim FC St. Pauli. Meine Wahl fiel aus unterschiedlichen Gründen auf Bernd: Seine Position auf dem Spielfeld ist eine sehr zentrale. Das ist für einen Kapitän wichtig, um seine Jungs auf dem Feld zu erreichen. Die Verantwortung, Kapitän zu sein, könnte bei Bernd noch ein paar Prozente mehr rauskitzeln, gerade weil er ein sehr emotionaler Spieler ist. Dabei geht es natürlich nicht darum, über die Stränge zu schlagen. Lasse ruht eher in sich selber. Er ist kein erkennbarer Lautsprecher, hat aber durch seine Art und Weise einen wichtigen Stellenwert in der Mannschaft.“
...über die Zusammensetzung des Kaders:
„Wir müssen uns schon überlegen, wie wir gewisse Dinge beheben, wenn sie auftreten. Wir sind eigentlich in allen Teilen des Kaders gut und doppelt besetzt. Wo wir das nicht sind, sind die Außenbahnen. Wir haben mit Cenk und Waldi zwei klassische Flügelspieler. Auch Maurice hinterlässt auf mich den Eindruck, dass er spielen kann. Er könnte aber auch vorne spielen. Danach braucht man schon ein bisschen Phantasie. Mats spielt in der Nationalelf links. Da müssen wir uns eben überlegen, ob wir das so auffangen können, und was gibt der Markt her? Der Ausfall von Ryo schmerzt. Er war gut drauf und kam in einem guten Zustand wieder. Einen Abgang sehe ich gerade nicht. Auch von den Spielern habe ich den Eindruck, dass keiner weg möchte.“
...mögliche Startelf:
„Erstmal werden wir am Mittwoch und Donnerstag die Dinge aus dem Trainingslager analysieren. Je länger die Vorbereitung dauert, desto näher kommt man einer Startelf. Allerdings konnten sich einige angeschlagene und verletzte Spieler noch nicht richtig zeigen. Von daher: Die Startelf hat sich etwas konkretisiert, aber noch nicht finalisiert. Ob die Startelf für das Spiel in Bochum schon gegen Bremen spielt, überlege ich mir noch. Gegen Werder ist zwar das letzte Testspiel vor Saisonstart, aber es bleibt ein Testspiel. Ich werde mir offenhalten, ob ich noch das eine oder andere probiere.“
...die Torwartfrage:
„Die Torwartfrage ist offen, weil Robin zwischenzeitlich gefehlt hat und sich nicht richtig zeigen konnte. Philipp hat drei Spiele über 90 Minuten gemacht, Robin nur eins. Deshalb kann sich Robin gegen Bremen nochmal 90 Minuten zeigen und dann werden wir entscheiden.“
...über ein mögliches Saisonziel:
„Ich kann nur das sagen, was ich der Mannschaft gesagt habe: Wir sind stolz darauf, dass wir unsere Mannschaft quasi zusammenhalten konnten. Wir wissen aber auch, dass diese Mannschaft vor wenigen Monaten noch auf dem letzten Tabellenplatz stand. Und diese Mannschaft holte in der Rückrunde 34 Punkte. Ich denke, dass ein Stück weit Demut angesagt ist. Anfangen zu träumen, macht keinen Sinn. Wir sollten uns nur auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können und das ist das nächste Spiel. Wir werden uns maximal vorbereiten und dann beim Spiel alles raushauen. Das ist unser Ziel. Das werden wir bis Weihnachten 18 Mal machen und dann schauen wir, was dabei herausgekommen ist. Man muss sich immer wieder neu fokussieren und immer wieder bereit sein, alles rauszuhauen. Sonst erlebt man eine böse Überraschung.“
(jk)
Fotos: Witters