„Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch, versuche anderen zu helfen“
Donnerstag, 14. September 2023, 17:00 Uhr
Hauke Wahl hautnah: Vor dem Duell gegen seinen Ex-Club Holstein Kiel am Sonntag (17.9., 13:30 Uhr) erzählt er uns von seinen Kieler Kapitänsjahren, Fans in der Family und einer langen Leidenszeit. Außerdem besteht die Chance, ein exklusives Matchworn-Trikot unseres Abwehrspielers zu gewinnen.
Gutes Timing ist eigentlich Hauke Wahls Markenzeichen. Im Zweikampf kommt der Verteidiger selten zu spät und tatsächlich musste er in über 250 Zweitligaspielen lediglich dreimal gelbgesperrt auf der Tribüne Platz nehmen. „Und die meisten Gelben waren wegen Meckerns“, gesteht der im Sommer auf den Kiez gewechselte Wahl. Zum Interviewtermin verspätet er sich allerdings um ein paar Minuten – nicht, ohne vorher Bescheid zu geben. Denn pflichtbewusst ist der ehemalige Kapitän der Kieler „Störche“. Das lässt sich auch an der Begründung für den Verzug ablesen. „Ich musste noch mit dem Hund raus. Seit zwei Jahren haben wir einen sibirischen Husky in der Familie. Ich genieße die Zeit mit Loki. Es tut gut, rauszukommen und auch einfach mal offline zu sein. Früher hatte ich sogar Angst vor Hunden. Aber seitdem wir ihn bei uns haben, ist es nicht mehr so. Er gibt mir extrem viel, das hätte ich vorher nie gedacht.“ Im Spiel hält Hauke die Gegenspieler 90 Minuten an der kurzen Leine. Ob das bei Loki auch so ist? „Meine Frau und ich teilen uns die Erziehung gut auf und wir sind da auf einem Nenner. So eine Nummer a la ´good Cop, bad Cop‘ gibt es bei uns nicht. Aber sie ist schon die Chefin.“
Der Gassi-Weg führt dabei häufig durch Barmbek. Dort wohnt Hauke mit Frau und Hund. Wieder, muss man sagen. In einer sportaffinen Familie aufgewachsen hat der heute 29-Jährige die ersten neun Jahre seines Lebens im Hamburger Norden verbracht. Wahl ist also ein echtes Nordlicht, das mit Stationen in Dresden, Paderborn, Ingolstadt, Heidenheim und Kiel fußballerisch schon in allen Himmelsrichtungen aktiv war. „Aber Hamburg ist einfach Heimat für mich. In Ingolstadt hatte ich beispielsweise Bilder von Hamburg in der Wohnung hängen. Für mich ist es die schönste Stadt Deutschlands, aber für die schönste Stadt der Welt müssten es hier ein paar Grad wärmer sein“, sagt der Verteidiger, blickt dabei aufs Hamburger Hafengewässer und fügt an „Meine Passion für den Fußball jetzt hier beim FC St. Pauli mit meiner Heimatstadt zu verbinden, macht es für mich einfach perfekt. Ich habe mich auch im Team innerhalb kürzester Zeit zuhause gefühlt. Das ging wirklich extrem schnell. Die Stimmung ist durchweg positiv und es macht Spaß, mit den Jungs auf dem Platz zu stehen.“
Dass seine Wahl dabei auf unseren Magischen FC fiel, freut auch seine Mutter. Sie ist FC St. Pauli-Fan und drückt ihrem Sohn ab jetzt regelmäßig im Stadion die Daumen. „Meine Eltern waren schon das ein oder andere Mal im Gästeblock, wenn wir mit Kiel am Millerntor waren. Sie sind extrem stolz und glücklich und schreiben mir eigentlich vor jedem Spiel. Oft habe ich den Eindruck, dass sie dabei gerade am Frühstückstisch sitzen (lacht). Auch mein Bruder Morten schreibt mir gelegentlich. Er ist einer meiner größten Kritiker, aber immer konstruktiv“. Tipps, wie man Stürmer vom Toreschießen abhält, holt sich Hauke vom sechs Jahre jüngeren Oberliga-Offensivspieler aber keine. Dabei legt er großen Wert auf die detaillierte Gegnervorbereitung. „Ich bereite mich individuell auf die Gegenspieler vor. Durch meine Zweitligajahre kenne ich natürlich schon den einen oder anderen Spieler. Trotzdem schaue ich mir die Szenen in der Analyse sehr genau an. Am wichtigsten ist aber die Gesamtkommunikation in der Defensive. Die muss stimmen.“
Dass die mit seinen Neu-Kollegen Manolis Saliakas und Karol Mets bereits passt, zeigen auch die bisherigen Ergebnisse. In drei der fünf Partien stand die Null - Ligabestwert. Hauke half dabei lediglich beim Auftakt in Kaiserslautern nicht von Anfang an und über die volle Spielzeit mit. „Oft sprechen wir Verteidiger im Vorfeld miteinander. Es geht darum, weiter ein Gefühl füreinander zu entwickeln. Das gilt nicht nur für die letzte Reihe. Auch die Offensiven helfen mit. Ich finde, das sieht bei uns schon sehr, sehr gut aus. Das Gute ist, dass jeder von uns schon viel Erfahrung gesammelt hat und ins Spiel einbringt.“ Erfahrung, die der Innenverteidiger auch gerne an die jüngeren Spieler weitergibt. „Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch, versuche anderen zu helfen. Deshalb spreche ich auch mit den Jungen, denn ich habe es selbst so mitgegeben bekommen.“ Während seiner Zeit bei den Kielern spielte Wahl auch mit einem weiteren „Nordlicht“ zusammen. 2020 wechselte der ehemalige Kiezkicker Fin Bartels (117 Spiele für die Braun-Weißen) mit ordentlich Erstligaerfahrung an die Förde. Gemeinsam schlugen sie den FC Bayern im DFB-Pokal – ein Wahl-Kopfballtor und der Bartels-Sieg-Elfmeter trugen dazu bei. Gemeinsam scheiterten sie aber auch in der Aufstiegsrelegation am 1. FC Köln. Mit Rückschlägen weiß der 29-Jährige umzugehen.
„Man muss auch den Arsch hochkriegen“
(Hauke Wahl über seine Erkrankung am Pfeifferschen Drüsenfieber im Jahr 2022)
„Ich bin der Meinung, man sollte immer versuchen, aus so etwas zu lernen und stärker hervorzugehen.“ Damit nimmt er auch Bezug auf die wohl schwerste Phase seiner Karriere. Denn Wahl erkrankte 2022 am Pfeifferschen Drüsenfieber, fiel ein halbes Jahr aus, war ganze 17 Spiele zum Zuschauen verdammt. Eine Zeit der Ungewissheit und des Grübelns. Eine Zeit „wie eine Achterbahnfahrt. Mal gab es gute Tage, mal schlechte. Das muss man sich eingestehen, es akzeptieren. Schlussendlich muss man aber auch den Arsch hochkriegen und dafür sorgen, dass es auf kurz oder lang mehr gute als schlechte Tage gibt.“ Diesen Ratschlag möchte er auch seinem Teamkollegen Scott Banks mit auf den Weg geben. Unser junger Flügelspieler hatte sich im Auswärtsspiel bei Eintracht Braunschweig erst vor kurzem tragischerweise das Kreuzband gerissen und steht vor einem langen Genesungsprozess.
Hauke hat während seiner Leidenszeit vieles versucht. Er stellte die Ernährung um, ließ sich regelmäßig durchchecken und nahm auch mentalen Support in Anspruch. Denn vom erstmaligen Ausfall bis zur finalen Diagnose verging einige Zeit. „Bei mir war es anders als bei Scott jetzt. Wir wussten lange nicht, was es ist. Danach wussten wir lange nicht, wann ich wieder fit sein werde. Ich wusste nur, dass ich nichts machen kann. Und immer, wenn ich wieder auf einem guten Weg zu sein glaubte, wurde ich wieder schwächer. Ich war es gewohnt, zu spielen.“ Vor seiner Erkrankung ging er jedes Spiel über die volle Distanz. Ausfallzeiten kannte der Kieler Mannschaftskapitän nicht, der seiner Rolle damals dennoch gerecht werden wollte. „Ich kam häufig zum Training, habe gute Laune verbreitet, saß mit den Jungs in der Kabine oder habe im Gym zugesehen. Ich bin auch mit zu den Auswärtsspielen gereist. Ich wollte einfach beim Team und präsent sein.“ Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass es für Hauke am kommenden Sonntag (17.9., 13:30 Uhr) ein ganz besonderes Nordduell werden wird. „Ich freue mich auf jedes Heimspiel am Millerntor. Aber auf dieses ganz besonders. Ich habe schöne, erfolgreiche fünf Jahre in Kiel verbracht und sehe am Sonntag alte Bekannte wieder. Zu manchen Jungs habe ich noch Kontakt. Meine Familie wird natürlich auch im Stadion sein.“
Der Tabellenzweite von der Förde hat einen guten Saisonstart hingelegt. Die Ausbeute von zwölf Punkten nach fünf Spieltagen überrascht Hauke nicht. „Ich bin der Meinung, dass in Kiel seit Jahren gute Arbeit geleistet wird. Sie haben den Umbruch nach der vergangenen Saison als Chance gesehen. Ihre Vorbereitung war lang, aber sehr gut.“
Nach zuletzt drei Remis in Folge mit wenig Fortune im Abschluss, wollen unsere Boys In Brown den Bock nach der Länderspielpause endgültig umstoßen. „Unsere Leistungen in den letzten Ligaspielen haben gestimmt. Wir haben mehr Punkte verdient und hätten uns belohnen müssen. Aber wir sind auf einem richtig guten Weg, lassen wenig zu. Andere Mannschaften haben momentan das Spielglück auf ihrer Seite. Da geht ein Ball rein, der sonst vielleicht daneben geht. Bei uns ist es genau andersrum. Das müssen wir uns jetzt wieder erarbeiten. Wir tun gut daran, unseren Weg weiterzugehen. Weiter so zu spielen, wie in den vergangenen Partien. Dann bin ich mir sicher, dass der Knoten ganz schnell platzen wird.“
Um 13:30 Uhr rollt der Ball am Sonntag endlich wieder am ausverkauften Millerntor. Und wir dürfen gespannt sein, wie Wahl & Co die Kieler Offensive in Schach halten werden. Wenn hinten wieder die Null steht und der Ball vorne den Ball über die Linie findet, wäre das der optimale Auftakt in die Heimspielwoche und ein intensives September-Restprogramm.
Ihr drückt nicht nur den Boys In Brown die Daumen, sondern glaubt an den Heimsieg? Dann macht mit bei unserem Tippspiel hier in der App und gewinnt das Matchworn-Trikot von Hauke Wahl aus dem Nordduell zwischen dem FC St. Pauli und Holstein Kiel.
(fh)
Fotos: FC St. Pauli