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FCSP-Geschichte(n)-Podcast: Politik am Millerntor

Nazis in den Reihen des FC St. Pauli? Rassistische Zwischenfälle beim Training? Kaum vorstellbar beim Verein mit der klaren Kante gegen Rechts. Und doch hat es das gegeben. In der neuen Folge der „FCSP-Geschichte(n)“ befassen sich Celina, Christopher, Christoph und Thomas vom FC St. Pauli-Museum mit Politik am Millerntor – und lassen dabei auch weniger rühmliche Episoden der Vereinsgeschichte nicht aus. Ab sofort ist die Folge online. Bei Podigee, überall, wo es Podcasts gibt – und auf YouTube!

Jede Folge der FCSP-Geschichte(n) widmet sich einem anderen Thema – immer aus mindestens drei verschiedenen Perspektiven und mit Faktencheck durch „Podcast-Schiri“ Thomas. „Die wichtigste Mannschaft aller Zeiten“ (Folge 1), „Skandal am Millerntor“ (Folge 2), „Das ultimative Derby“ (Folge 3), „Mythos Millerntor“ über die Historie des Stadions (Folge 4), „Fußball. Flucht. Exil.“ über die Hintergründe der aktuellen Max-Kulik-Ausstellung (Folge 5) und „Should I Stay or Should I Go“ über Spielertransfers (Folge 6) lohnen das Nachhören.

Das Team der FCSP-Geschichte(n) vom FC St. Pauli-Museum: Celina, Christopher, Thomas und Christoph (von links nach rechts) bei der Aufzeichnung.

Das Team der FCSP-Geschichte(n) vom FC St. Pauli-Museum: Celina, Christopher, Thomas und Christoph (von links nach rechts) bei der Aufzeichnung.

Die siebte Folge dreht sich nicht nur um die "Politisierung" der Fanszene in den 80er- und 90er-Jahren – sondern auch um die Zeit davor und einem vereinsinternen Rassismus-Eklat im Jahr 1994 und den Umgang damit: Die damalige sportliche Führung geriet nicht etwa wegen der rassistischen Beleidigung gegen Leo Manzi in Aufruhr, sondern wegen des „Maulwurfs“, der den Zwischenfall der Presse gesteckt hatte – und schoss, wie Christopher in seinem Segment erzählt, gegen erzürnte Fans.

Die wiederum hatten seit 1989 Erfahrung mit eigenen Medien, um „Gatekeeper“ wie die Chefredaktionen der etablierten Blätter oder auch der vereinseigenen Zeitung zu entgehen. Mit vielen O-Tönen von Zeitzeug*innen aus dem 1910-Archiv erzählt Celina die bewegte Geschichte des „Millerntor Roar!“ nach – einer von Fans für Fans ehrenamtlich erstellten Zeitschrift, deren Untertitel „Fans – Fußball – Viertel“ etwas vollkommen Neues signalisierte. Denn ein Fanzine mit einer solchen Mischung hatte es noch nie gegeben.

Leo Manzi beim 4:1 gegen Waldhof Mannheim (Juni 1994). Im selben Jahr wurde Manzi Opfer rassistischer Beleidigungen während eines Trainingslagers.

Leo Manzi beim 4:1 gegen Waldhof Mannheim (Juni 1994). Im selben Jahr wurde Manzi Opfer rassistischer Beleidigungen während eines Trainingslagers.

„Die Leute waren heiß, so was zu lesen“, erinnert sich „Slime“-Sänger Dirk „Diggen“ Jora: „Außer denen, die aus der Punkszene kamen, hatte so was noch nie jemand in der Hand gehabt. Sondern nur diese offizielle Stadionzeitung, die stinkelangweilig war: ... eine Mannschaftsaufstellung, etwas zum Gegner und ansonsten Werbung für Würstchen.“

Damit war mit der „Nullnummer“ des „Roar!“ und seinen Nachfolger-Fanzines „Unhaltbar“ und „Übersteiger“ Schluss. Barbara Figge, ebenfalls MR!-Gründungsmitglied, erinnert sich: „Ich glaube wirklich der Verein war überrascht, mit welcher Vehemenz und Wucht wir plötzlich da waren. ... Wir waren einfach rotzfrech, wir haben Forderungen gestellt, wir sind aufgetreten, wir sind laut geworden.

Die FCSP-Geschichte(n) werden ermöglicht durch das FC St. Pauli-Museum und seinen Trägerverein 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. Ihr könnt das Museum durch eine Mitgliedschaft unterstützen!

Die FCSP-Geschichte(n) werden ermöglicht durch das FC St. Pauli-Museum und seinen Trägerverein 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. Ihr könnt das Museum durch eine Mitgliedschaft unterstützen!

Dennoch gab es Vorfälle, die dem „Radar“ der Fanszene entgingen. Wie der Fall Otto Wolff: 1992 widmete die offizielle Vereinszeitung des FC St. Pauli dem kurz zuvor verstorbenen Ex-Stürmer einen warmherzigen Nachruf – obwohl es kein Geheimnis war, dass Otto Wolff NSDAP-Mitglied ab 1930 war und nicht nur in der SS, sondern auch in der  Hamburger Stadtführung unter Gauleiter Karl Kaufmann Karriere machte.

Ob es um die (für die Täter äußerst profitable) Enteignung jüdischen Besitzes oder die Organisation von Zwangsarbeit ging: Wolff war in leitender Stellung dabei. Und war schon 1931 ein wichtiger Wahlhelfer von Wilhelm Koch bei dessen (in Kampfabstimmung gewonnener) erste Wahl. Wie es dabei zuging, erzählt Christoph anhand von Originaldokumenten wie dem Protokoll der turbulenten Sitzung am 11. Mai 1931 im Hotel Mau am Holstenwall. Und wieder wird deutlich: Die „Klare Kante gegen Rechts“ des FC St. Pauli ist eine Errungenschaft, die immer wieder neu erkämpft werden muss. Und alle sind dabei gefragt!

Hier gibt es die neuesten Folgen der FCSP-Geschichte(n):

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Text: 1910 e.V.

Fotos: Antje Frohmüller, 1910 e.V., Witters

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, NEUSTART KULTUR, der Kulturstiftung der Länder und KULTUR.GEMEINSCHAFTEN – dem Förderprogramm für digitale Content Produktion in Kultureinrichtungen.

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