Kiezbeben-Geschichten: "Freudenhaus" und Hexenkessel
Sonntag, 01. September 2019, 10:00 Uhr
Auf über 600 Quadratmetern zeigt "KIEZBEBEN – die zweite Geburt des FC St. Pauli", wie der FC St. Pauli wurde, was er heute ist. Der Betreiberverein 1910 e.V. hat die Ausstellung im FC St. Pauli-Museum bis 5. Oktober verlängert und eine große Umfrage zur Dauerausstellung gestartet (wir berichteten: KLICK!). Einige der schönsten KIEZBEBEN-Stories erzählen wir hier auf fcstpauli.com. Diesmal geht es mitten ins „Herz von St. Pauli“ – mit einer kleinen Hommage ans Millerntor und die Zeit, als es sein erstes Flutlicht bekam...
Dass dieses Stadion einmal "Kult" sein würde – so etwas hatten die Bauherren des Millerntor-Stadions sicher nicht im Sinn, als sie 1960 damit anfingen, das seinerzeit modernste Stadion der Stadt zu errichten. Mit einem viel bewunderten, frei tragenden Tribünendach. Doch leider ohne Drainage unter dem Rasen, weshalb das später von Jörg Wontorra als "Freudenhaus der Liga" bezeichnete FC St. Pauli-Stadion gleich zweimal eingeweiht wurde: 1961 und, nach entsprechendem Umbau, 1963.
Zum überraschenden Aufstieg in die 1. Bundesliga 1988 wurde es dann erstmals erweitert, und zwar mit einer vermeintlich „provisorischen“ (und dann bis zum Abriss der alten Gegengerade beibehaltenen) Sitzplatztribüne – wir berichteten: KLICK! Unser Foto oben zeigt das Millerntor im Februar 1989.
Was in den 60ern topmodern ist, wirkt zur KIEZBEBEN-Zeit Mitte und Ende der Achtziger Jahre schon nostalgisch: Viele andere Erstliga-Clubs haben ihre Stadien zur Fußball-WM 1974 auf den neuesten Stand gebracht. Für solche Maßnahmen gibt es am Millerntor weder Zeit noch Geld. Dafür sind die Zuschauer dicht dran am Geschehen.
Selbst in der Erstligasaison 1988/89 ist das Stadion keineswegs ständig ausverkauft: Gegen weniger attraktive Gegner wie die Stuttgarter Kickers, Bayer Uerdingen oder Hannover 96 kommen auch mal nur 15.000 oder 16.000 Fans. Und singen, rufen – raunen: Wie zeitgenössische TV-Berichte zeigen, brodelt der "Hexenkessel Millerntor-Stadion" nicht immer gleich. Doch wenn der "Millerntor Roar" einsetzt, geht er durch Mark und Bein.
"Es war schon sehr laut im Stadion", erinnert sich Sven Brux. "Die Zusatztribüne mit dem Dach der Gegengerade hat im Herbst 88 noch einen positiven Halleffekt gebracht. 1989 kam Flutlicht hinzu, das hat das Ganze noch mal aufgepeppt von der Atmosphäre. Das ein oder andere Spiel habe wir sogar die Halbzeitpause durch gesungen."
Ganz ohne Hindernisse ging der Bau der Flutlichtanlage übrigens nicht vonstatten: Noch im Dezember 1988 meldet das Hamburger Abendblatt, dass sich der bereits begonnene Bau verzögert. "Weil die Baubehörde ihre Genehmigung nicht so schnell wie erhofft erteilte, musste der Bau der Masten verschoben werden."
Im Februar 1989 (siehe Foto ganz oben) stehen die Masten. Tatsächlich eingeweiht wird das neue Flutlicht jedoch erst am 7. April 1989 mit einem 2:0-Heimsieg über Bayer Leverkusen (Tore: Dirk Zander und Michael Dahms in der 3. und 31. Minute). Inzwischen wurden sie durch eine neue Lichtanlage auf dem Stadiondach ersetzt. Übrigens: In der KIEZBEBEN-Ausstellung sind (im Außenbereich, gegenüber von der manuellen Anzeigetafel) Originalstrahler von den alten Flutlichtmasten zu sehen.
Wollt Ihr mehr über die Jahre erfahren, die das Millerntor und seine Geschichte entscheidend verändert haben? Dann nichts wie hin in die über 600 Quadratmeter große Ausstellung im FC St. Pauli-Museums!
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KIEZBEBEN. Die Ausstellung. Donnerstag und Freitag von 16 bis 22 Uhr sowie Sonnabend und Sonntag von 11 bis 19 Uhr, FC St. Pauli-Museum, Heiligengeistfeld 1.
- KIEZBEBEN. Die Website zur Ausstellung
- KIEZBEBEN-Nächte (immer donnerstags)
- Umfrage zum FC St. Pauli-Museum
Text: 1910 e.V.
Fotos: Witters / Sabrina Adeline Nagel