"Das hat auf jeden Fall das Talent gestärkt"
Sonnabend, 14. November 2020, 10:00 Uhr
Lukas Daschner verbrachte schon als kleiner Junge seine Freizeit auf dem Fußballplatz. "Früher", sagt der 22-Jährige, "hauptsächlich wegen der Freude am Spiel." Heute ist das "Spiel" auch sein Beruf, der Traum ist wahr geworden. Der Wechsel aus Duisburg zum FC St. Pauli sei für ihn der richtige Schritt gewesen. Daschner fühle sich wohl in Hamburg, er ist ein Spieler, an dem Fans und Verein noch viel Spaß haben könnten.
Noch weit eine Stunde bevor das Spiel beginnt, besichtigen die Kiezkicker häufig schon den Platz. Die einen, zumindest taten sie es vor der Pandemie, blättern in Ruhe durch die Stadionzeitung, die anderen hören ihre Musik. In kleinen Gruppen unterhalten sich die einheitlich gekleideten Profifußballer, drücken mit der Sohle ihrer Sneaker auf dem Rasen rum. Die letzte Ablenkung vor den bevorstehenden 90 Minuten. Ihr Arbeitsplatz ist zu diesem Zeitpunkt schon hergerichtet. Der Rasen hat seinen 25 bis 28 Millimeter langen "Kurzhaarschnitt", die Tore sind aufgestellt und der Platzwart hat makellos mit dem Markierwagen die Linien nachgezogen.
Für Lukas Daschner müssen die Rahmenbedingungen wie ein Upgrade wirken. Seine fußballerische Laufbahn begann auf einem Ascheplatz mit Stahltoren, damals genoss er die Zeit mit Kollegen auf dem Fußballplatz. Eine fehlende Bolzplatzmentalität machte DFB-Manager Oliver Bierhoff für das Nachwuchsproblem im deutschen Fußball verantwortlich. Während England und Frankreich Straßenfußballer hervorbrachten und im Leistungsvergleich enteilten, wurde in Deutschland vor allem in der Breite ausgebildet. "Das hat auf jeden Fall das Talent gestärkt", erinnert sich Daschner an die Nachmittage auf dem Bolzplatz. "Egal ob beim Torschuss oder '16er', wo der Ball immer in der Luft sein muss, da konnte ich von allem etwas mitnehmen."
Der offensive Mittelfeldallrounder spielte bis zu seinem elften Lebensjahr in einer talentierten Mannschaft bei Hamborn 07, einem Stadtbezirk Duisburgs. Seine Mitspieler wechselten nach Leverkusen, Dortmund, Bochum oder Schalke. Der Blondschopf ging zuletzt, ebenfalls nach Gelsenkirchen. "Das war schon eine große Umstellung", sagt er. "Wir haben ein Turnier in Russland gespielt und Ausflüge nach Frankreich oder Madrid gemacht. Das kannte ich vorher nicht, die Erfahrungen waren aber schon ganz cool."
Aus Gelsenkirchen ging es nach Duisburg, seiner Geburtsstadt. Der MSV war der Verein, der seine Karriere bislang am meisten prägte. Als U19-Spieler trainierte Daschner in Rücksprache mit Cheftrainer Ilia Gruev, der heute die Leihspieler von Werder Bremen betreut, und Sportdirektor Ivica Grlic schon bei den Profis mit. "Als ich dann mit ins Trainingslager geflogen bin, habe ich gemerkt, dass es etwas werden könnte", erklärt "Daschi", wie er gerufen wird. "Das Hobby zum Beruf zu machen, war mein Ziel."
Bei den Zebras machte er in der 2. Bundesliga auf sich aufmerksam, der Durchbruch glückte ihm dann aber in der 3. Liga. Daschner bestritt 34 von 38 Ligaspielen, in denen er mit elf Toren und fünf Vorlagen unter Torsten Lieberknecht zum Leistungsträger avancierte. "Ich glaube, dass jeder Spieler gerne Tore macht", sagt Daschner, der letzte Saison seine Torgefahr bewies. "Es gibt aber, und da sehe ich mich auch, die Spieler, die den letzten Pass vor dem Tor spielen."
Der Wechsel zu St. Pauli war sein Sprung zurück in die 2. Bundesliga. Eine Liga, die er schon aus Duisburg kennt. Die individuelle Qualität sei zwar schon höher, der Spielaufbau klarer, doch insgesamt sei der Unterschied zur 3. Liga nicht groß. Viele Mannschaften und Spieler könnten auch eine Klasse höher durchstarten, findet er. Sein Wechsel nach Hamburg, weit weg von Heimat und Familie in Duisburg, war aber nicht nur sportlicher, sondern auch persönlicher Natur. "Das gehört zur Persönlichkeitsentwicklung dazu", weiß Daschner. "Ich bin hier selbst für mich verantwortlich, niemand guckt mir über die Schulter. Das ist ein stückweit eine Weiterentwicklung."
Auf dem Feld, seinem Arbeitsplatz, hat er das Auge für seine Mitspieler, spielerische Akzente und frischen Wind schon nachgewiesen. "Daschi" servierte seinen Teamkollegen schon vier Vorlagen, obwohl er in sieben Spielen sechs Mal von der Bank kam, die Jokerrolle ist im Moment das einzige Manko. "Ich will jedes Spiel möglichst von Anfang an spielen, mache mir aber keinen Druck", sagt der gebürtige Duisburger. "Wenn ich eingewechselt werde, gebe ich mein Bestes. Die Trainer sprechen viel mit mir."
Die Mannschaft habe ihn sehr gut aufgenommen, seine Qualität kann er, wie bei seinem Treffer im Werder-Test (4:2), immer mal wieder aufblitzen lassen. Das will Daschner auch in den kommenden Spielen tun, nur eben häufiger. Und dann vielleicht auch mit seinem ersten Tor für Braun und Weiß in einem Pflichtspiel.
(ms)
Fotos: Witters