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„Keiner soll die Möglichkeit haben abzuschalten“ - Marco Knoop über das Torhütertraining

Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass von einem Torwart im modernen Fußball mehr erwartet wird, als nur zwischen den Pfosten hin- und herzufliegen. Vielmehr müssen sich die Keeper inzwischen auch als ersten Angreifer und letzten Verteidiger ihres Teams begreifen. Offensivspiel, Raum- und Torverteidigung benennt Torwarttrainer Marco Knoop die drei maßgeblichen Kategorien des Torwartspiels und erklärt während des Wintertrainingslagers im spanischen Benidorm, wie man diesen komplexen Anforderungen in der Trainingsarbeit Rechnung trägt.

Es läuft die erste Trainingseinheit des Trainingslagers, die Torhütergruppe arbeitet auf dem Nebenplatz der Anlage in Benidorm. Einer steht zwischen den Pfosten, ein zweiter einige Meter davor zwischen zwei aufblasbaren Dummies. Die beiden weiteren Keeper der Trainingsgruppe haben sich mit Ball am Fuß an den Strafraumecken positioniert. Torwarttrainer Marco Knoop schlägt in kurzer Folge Tennisbälle auf das Dummie-Tor. Nach drei Versuchen oder wenn ein Ball nicht abgewehrt wird, treten die Keeper außen in Aktion und gehen aus spitzem Winkel ins Eins-gegen-Eins. Es braucht ein bisschen, bevor man als Beobachter die Abläufe und Regeln durchschaut hat, doch alles folgt einer klaren Idee, wie Marco im Gespräch erläutert: „Es geht nicht darum, etwas zu machen, was knallt und raucht. Es hat immer einen Hintergrund, warum wir Dinge so machen. Wir wollten nach der Ankunft im Trainingslager, die Motivation hochfahren, die Jungs aktivieren und die Reise ein bisschen aus den Knochen schütteln. Da bieten sich solche Reaktionsübungen an.“

Während in der Vorbereitung auch Platz für ungewöhnliche Formen ist, folgen die Einheiten unter Saison anderen Mustern. Bestimmte Regelmäßigkeiten lassen sich aber auch bei der Trainingsarbeit in Hamburg immer wieder entdecken. „Ein Prinzip ist, dass alle gleichzeitig beschäftigt sind. Keiner soll die Möglichkeit haben abzuschalten und alle erleben dieselbe Situation aus unterschiedlichen Perspektiven.“ Dadurch werde auch das Lernen von- und miteinander gefördert, so Knoop. Dabei sind die Übungen so aufgebaut, dass die Keeper immer wieder Entscheidungen treffen müssen. Rausgehen oder auf der Linie bleiben, den Pass ins Mittelfeld riskieren oder über die Innenverteidiger aufbauen und „unter Stress auch die richtige Technik wählen“. Alle erdenklichen Spielsituationen werden so immer wieder dynamisch simuliert, einförmige Wiederholungen stehen nicht auf dem Plan.

Das Ziel aller Überlegungen ist klar, denn „im professionellen Bereich geht es darum, Resultate zu erzielen. Jeder Trainer, jedes Team hat eine bestimmte Spielidee. Und jede Spielidee birgt gewisse Risiken“, sagt Knoop. „Eine Mannschaft, die vorne draufgeht, wird eher Konter hinnehmen müssen, wenn sich der Gegner befreien kann. In so einem Fall sollte der Keeper gut darin sein, große Räume zu verteidigen und in diesem Bereich die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bei einer Mannschaft, die tief steht, wird der Gegner vielleicht mehr mit Flanken und hohen Bällen arbeiten. Dann musst du die Stärken deiner Torhüter dahin entwickeln.“ Nicht jeder Torhüter passe zu jedem Spielsystem, aber man könne schon in eine gewisse Richtung trainieren.

In der Nachwuchsarbeit steht die Spielerentwicklung im Vordergrund, ohne dabei die Resultate aus den Augen zu verlieren. „Wenn wir einen ‚St. Pauli-Torwart‘ ausbilden, möchten wir schon, dass er das moderne Torwartspiel verkörpert. Das bedeutet, ich habe Lust auf den Ball, bin der zusätzliche Feldspieler. Er muss aber auch Fußball verstehen.“ Mirco Weiss ist im Nachwuchsleistungszentrum für die Keeper der U23 und U19 und deren Übergang in den Profibereich zuständig. Er unterstützt Knoop in Benidorm, wodurch gleichzeitig auch der Austausch von Ideen und Konzepten gefördert wird. Denn die Arbeit mit den Talenten ähnelt der der Profis in vielen Aspekten, beschreibt er: „Es gibt auch einen großen Rahmen mit regelmäßigen Videoanalysen und Einzelgesprächen. Und im Training bietest du unter der Woche Wettkampfformen an. Darüber erzeugst du trotz der individuellen Interessen auch eine gute Gruppendynamik.“

Letztlich geht es bei Talenten und Profis darum, dass alle Torhüter die Chance haben, sich weiterzuentwickeln, auch wenn am Wochenende nur einer im Tor stehen kann. Knoop fasst es so zusammen: „Im Endeffekt sollen sich unsere Keeper nicht miteinander vergleichen, sondern ihre eigene optimale Leistung auf den Platz bringen und sich dadurch permanent verbessern.“

 

(hbü)

Fotos: FC St. Pauli / Witters

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