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"Es ist unsere Verantwortung, den Verein auch für die kommenden Jahre wettbewerbsfähig aufzustellen"

Bei der ordentlichen Mitgliederversammlung des FC St. Pauli blickte Präsident Oke Göttlich nicht nur auf ein ereignisreiches Jahr zurück, er widmete sich auch der aktuellen sportlichen Entwicklung sowie den Herausforderungen, denen sich der FC St. Pauli als eingetragener Verein stellen muss.

 

Bevor Oke Göttlich auf "ein turbulentes und ereignisreiches Jahr" zurückblickte, richtete er zunächst beste Genesungswünsche an den FCSP-Fan, der beim zurückliegenden Heimspiel gegen Dresden einen schweren gesundheitlichen Schlag erlitten hatte: "Wir als Verein stehen in Kontakt, wünschen alles Gute und hoffen auf eine weiterhin sich stets verbessernde gesundheitliche Lage." Unser Präsident bedankte sich im Anschluss nicht nur bei den Mitgliedern, die ob ehrenamtlich, in Gremien oder in der Fanszene tätig in einem eingetragen Verein alles möglich machen, sondern auch bei seinen PräsidumskollegInnen und allen MitarbeiterInnen, die das tägliche Geschäft durchführen sowie bereichern.

"Wir haben dann gemeinsam den Klassenerhalt geschafft. Wir als ein Verein."

Anschließend blickte Göttlich auf die letztjährige Mitgliederversammlung und die sportlich schwierige Situation in den Wochen nach dieser mit den deutlichen Niederlagen in Fürth (0:4) und Bielefeld (0:5) zurück. Olaf Janßen wurde beurlaubt, Markus Kauczinski als neuer Cheftrainer verpflichtet. "Wir haben dann gemeinsam den Klassenerhalt geschafft. Wir als ein Verein. Zum einen durch kurzfristige Maßnahmen, indem wir die sportliche Leitung, das Trainerteam und die Führungsspieler weiter gestärkt haben, aber auch durch ein Zusammenrücken zwischen Mannschaft und Geschäftsstelle mit vorbehaltloser Unterstützung", erklärte unser Präsident.

Hinsichtlich der Aktivierung der Fanszene fügte er hinzu: "Ich weiß noch ganz genau, wie wir vor dem Spiel gegen Fürth mit Vertretern aus Präsidium, Aufsichtsrat, Geschäftsführung, Geschäftsstelle und Fanszene in der Kabine im Millerntor gesessen, diskutiert und gestritten haben. Am Ende stand aber – und das war für alle klar: Alles geben für St. Pauli. Wir haben es dann alle gemeinsam geschafft, diese Energie in den Spielen gegen Fürth und Bielefeld ins Stadion zu bringen und lagen uns am Ende nach Yiyoung Parks Siegtreffer gegen die Arminia erleichtert in den Armen."

Die Vorsaison wurde dann intensiv analysiert. "In aller Offenheit und Klarheit und gemeinsam mit Uwe Stöver und Markus Kauczinski", so Göttlich, seien verschiedene Maßnahmen (u.a. Stärkung und Coaching der Führungskräfte, Investition in Dienstleistungsbereich und Personal, Investition in Infrastruktur) umgesetzt worden. Der Forderung, einen radikalen Umbruch im Linzenzspielkader zu vollziehen, sei man nicht nachgekommen. Göttlich dazu: "Bei der Kaderplanung haben wir neben sportlicher Qualität auf Mentalität und Identifikation geachtet. Wir haben den Spielern, die bei uns unter Vertrag stehen, den Rücken gestärkt und das Vertrauen ausgesprochen."

Großes Vertrauen habe der Verein auch in die Nachwuchsarbeit, die zum dritten Mal in Folge mit drei Sternen zertifiziert wurde. "In diesem Jahr sogar mit dem Prädikat exzellent, was die stetige Entwicklung und Professionalisierung unterstreicht. Hier möchte ich ausdrücklich die hervorragende Arbeit von Roger Stilz, Björn Benke, der neuen pädagogischen Leitung Stefanie Norberto Goncalves und dem gesamten Team hervorheben", so Göttlich, der sich mit Blick auf den Kauf des Jugendtalenthauses II auch bei der Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) für die große finanzielle Unterstützung bedankte. So könne der Verein noch mehr Talente pädagogisch und fußballerisch ausbilden und auch emotional an den Verein binden.

"Unser Ziel muss es natürlich bleiben, weitere Talente für unsere Profimannschaft zu entwickeln."

Mit der sportlichen Entwicklung der Nachwuchsteams (alle Jugendteams haben sich in den höchsten Ligen etabliert, die U19 führt die Tabelle in der Bundesliga Nord/Nordost an) zeigte sich unser Präsident durchweg zufrieden. Dabei hob er die vielen aktuellen Junioren-Nationalspieler (u.a. Svend Brodersen, Finn Ole Becker, Leon Flach, Aurel Loubongo-M’Boungou, Jakob Münzner, Jonas-Mika Senghaas und Silas Florian Rathay) hervor. "Die Zahl ist für einen Club wie den FC St. Pauli absolut beachtlich. Unser Ziel sollte es sein, diese positive Entwicklung auch weiterhin zu forcieren und alles dafür zu tun, die Durchlässigkeit in den Profibereich zu erhöhen. Unser Ziel muss es natürlich bleiben, weitere Talente für unsere Profimannschaft zu entwickeln", so unser Präsident.

Auf die sportliche Enticklung der Profimannschaft konnte Göttlich ebenfalls zufrieden blicken. "Sie haben es in den letzten Wochen und Monaten geschafft – nach der ausführlichen Analyse im Sommer und während der zwischenzeitlichen Schwächephase mit drei Liga-Niederlagen hintereinander – die richtigen Schlüsse zu ziehen und eine gewisse Kontinuität zu entwickeln", freute sich unser Präsident, der hinzufügte: "Maßgeblich dafür verantwortlich waren Sportchef Uwe Stöver und Cheftrainer Markus Kauczinski, die auch während einer sportlichen Krise ruhig geblieben sind, flexibel auf die bestehende Situation reagiert und die Mannschaft so wieder in ruhiges Fahrwasser geführt haben."

"Wir als FC St. Pauli wollen sportlichen Erfolg, um unsere Werte einem größtmöglichen Publikum zu präsentieren und möglichst viele Menschen zu erreichen."

Unser Präsident widmete sich im Anschluss den Wettbewerbsbedingungen und der Tatsache, dass immer mehr Clubs durch Ausgliederungen danach strebten, externe Kapitalgeber zu finden, die mit ihrer wirtschaftlichen Kraft dabei helfen, Etats künstlich zu erhöhen, um sportliche Ziele zu erreichen. Dabei spekulierten diese Vereine auf einen besseren Tabellenplatz und einer entsprechend höheren Ausschüttung der TV-Einnahmen.

"Das Präsidium tut das nicht! Denn wir betreiben in den letzten Jahren das Gegenteil dieser Verschuldungspolitik", betonte Göttlich und fügte hinzu: "Seit Jahren kaufen wir unsere Werte in den Verein zurück und investieren damit in die Zukunft und die Substanz. Als Sicherheit und Gestaltungsrahmen, wenn um uns herum nur noch Finanzierungsmodelle dominieren, die für unseren Verein nicht im Einklang mit unserer Selbstbestimmung und unserem Selbstverständnis stehen. Denn es ist unsere Verantwortung – als präsidiale Dienstleister für diesen Verein – ihn auch für die kommenden Jahre wettbewerbsfähig aufzustellen."

Unser Präsident weiter: "Ich wiederhole es deshalb jedes Jahr gerne wieder: Wir als FC St. Pauli wollen sportlichen Erfolg, um unsere Werte einem größtmöglichen Publikum zu präsentieren und möglichst viele Menschen zu erreichen. Nicht unter allen Umständen und um jeden Preis, aber so kreativ, dass wir uns unsere Unabhängigkeit, auf Geldquellen zu verzichten, ein eigenes Stadion zu finanzieren, eigenes Merchandising zu machen und die Vermarktung in eigene Hände zu nehmen, leisten können. Weil es die Zukunft und Arbeitsplätze unseres Vereins sichert und Werte schafft. Dies ist bei gleichzeitiger Erhöhung unserer Sportetats und einem steigenden Wettbewerb der Balanceakt, dem wir täglich ausgesetzt sind."

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse der Verein den Erfolg umzingeln. Göttlich richtete das Wort an die Profimannschaft: "Dies hier ist kein reiner Job, dies ist ein Projekt für einen anderen Fußball. Fühlt Euch eingeladen, diesen Weg mit uns allen hier gemeinsam zu gehen. Den Weg des soliden Angriffaufbaus und nicht den des absurdesten Vertragswunsches – dafür sind wir nicht zu haben."

"Und der FC St. Pauli braucht Euch", richtete Göttlich seine Worte an die anwesenden Mitglieder. "Eure kreative Kraft, die den Verein zu dem gemacht hat, was er ist. Engagiert Euch und helft uns, damit dieser einzigartige Verein in diesem einzigartigen Stadtteil erfolgreich sein kann, bundesweit gehört wird und auch finanziell durch Einnahmen abseits des TV-Geldes im Merchandise, Ticketing und Sponsoring so ausgestattet ist, dass wir mithalten können."

Im dem Zuge hob Göttlich hervor, dass sich der Verein für den Erhalt von 50+1 und eine veränderte Verteilung der TV-Gelder stark mache. Unser Präsident dankte Andreas Rettig für dessen Sachkenntnis und auch Gremienerfahrung, um die Vorstellungen in den Mitgliederversammlungen der DFL zu vertreten. Göttlich stellte klar: "Wenn 50+1 fällt, ist der FC St. Pauli als eingetragener Verein im deutschen Profifußball bedroht."

"Durch Verzicht und aufgebauter Substanz ist der FC St. Pauli ein Vorreiter in den Ligen, was eine selbstbestimmte Arbeit mit unseren Rechten in unseren, wohlgemerkt selbstkontrollierten, Bestand angeht."

Die Tatsache, dass der Verein und seine Tochtergesellschaften trotz der Anleiherückzahlung, die andere Vereine noch vor sich hätten, dennoch zum siebten Mal in Folge einen Konzerngewinn verkünden kann, freute Göttlich besonders.

Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit gehe die Schere zwischen kleineren und großen Vereinen immer weiter auseinander, der FC St. Pauli verzichte aufgrund seiner Werte und Überzeugungen jedoch bewusst auf Zusatzeinnahmen in einem immer kapitalgierigeren Umfeld, wie Göttlich berichtete. "Deswegen müssen wir uns mit alternativen Finanzierungsformen beschäftigen", erklärte unser Präsident und nannte die Idee einer Genossenschaft als Alternative, da diese das st. paulianische Prinzip der Partizipation und Stimmenvielfalt repräsentiere.

Wesentlich weiter sei der Verein bereits auf dem Weg der Unabhängigkeit, wie der Rückkauf der Merchandising-Rechte zeige, zudem habe der FC St. Pauli die Vermarktungsaktivitäten zum 1. Juli 2019 zurückgeholt. Göttlich dankte dem aktuellen Vermarktungspartner U!Sports und blickte auf die Eigenvermarktung, für die mit Dirk Schluenz bereits ein neuer Vermarktungsleiter gefunden wurde.

Er richtete seine Worte an die Mitgliederversammlung: "Wenn Euch da draußen nochmal jemand anquatscht und sagt, der FCSP ist ja gar nicht besonders, dann wisst Ihr, wie Ihr dem widersprecht. Durch Verzicht und aufgebaute Substanz ist der FC St. Pauli ein Vorreiter in den Ligen, was eine selbstbestimmte Arbeit mit unseren Rechten in unserem, wohlgemerkt selbstkontrollierten, Bestand angeht. Auch dies wird weiter unser Weg bleiben. Das ist eine große Herausforderung, die an uns riesige Anforderungen stellt. Aber wir haben uns schon frühzeitig aus voller Überzeugung dafür entschieden."

Hinsichtlich des sozialen und gesellschaftlichen Engagements des Vereins stellte Göttlich klar, dass der Bereich CSR und die Plattform KIEZHELDEN weiter gestärkt werden sollen, so wurde mit Michael Thomsen bereits ein neuer CSR-Leiter eingestellt. "Weitere Einstellungen sind geplant, u.a. auch für den Bereich Inklusion. Unsere strategische Ausrichtung richtet sich in den Stadtteil und auf das Thema Inklusion", so unser Präsident.

Beim Thema Nachhaltigkeit hob Göttlich hervor, dass die verkaufsstärksten Produkte - das Totenkopf-T-Shirt und der Totenkopf-Kapuzenpulli - als erste Produkte nach dem Öko-Siegel GOTS und dem Fairtrade-Siegel produziert werden. Perspektivisch sei die nachhaltige Produktion des gesamten Sortiments geplant, erste wichtige Schritte seien dafür bereits unternommen worden.

"Dieser Austausch hat die Veränderungen und die Weiterentwicklung unseres Vereins in den letzten Jahren erst möglich gemacht"

Als ganz wichtigen Bestandteil bezeichnete Göttlich die Sporttreibenden Abteilungen. "Sie dienen nicht nur als Orte, um Sport in der Gemeinschaft zu treiben, sondern sind mit ihren Initiativen und Projekten auch stets Schwungrad für soziales und gesellschaftliches Engagement", betonte unser Präsident, der sich über den Zuwachs dreier weiterer Abteilungen (Beachvollyball, Pipes&Drums, Segeln) freute. Um die wichtige und tolle Arbeit des ehrenamtlich tätigen Amateurvorstands, dessen Entscheidungskompetenz weiter gestärkt wurde, zu unterstützen, wurde Thomas Michael als Geschäftsleiter Amateursport eingestellt, dies unterstreiche laut Göttlich die Bedeutung des Amateursports im FC St. Pauli.

Göttlich dankte allen Sporttreibenden Abteilungen dafür, "dass sie den FC St. Pauli und seine Werte repräsentieren und wertschätzen. Auch auf Hamburgs Straßen, wo viele von uns den 'Merkel muss weg'-Demonstranten eindrucksvoll gezeigt haben, dass Anti-Demokraten, Nazis und Faschisten bei uns keinen Platz haben."

So langsam kam unser Präsident zum Ende seiner Rede. Nach einem kurzen Blick auf die USA-Reise im Mai, die laut Göttlich für alle Beteiligten "etwas absolut Besonderes" war, bedankte er sich noch einmal bei allen Kolleginnen und Kollegen in der Geschäftsstelle, die sich durch Umstrukturierungen und Veränderungen mit dem Verein auf den Weg gemacht haben, "den FC St. Pauli als Verein und nicht als Konzern mit Verantwortung für die Schaffung und Sicherung der Arbeitsplätze" einzusetzen.

Weiter bedankte sich Göttlich beim Aufsichtsrat, mit dem das Präsidium in den vergangenen Jahren "einen konstruktiven, nach vorne gerichteten Austausch" gepflegt habe. "Dieser Austausch hat die Veränderungen und die Weiterentwicklung unseres Vereins in den letzten Jahren erst möglich gemacht", lobte unser Präsident, ehe er abschließend den Amateurvorstand für das abgelaufene Geschäftsjahr zur Entlastung vorschlug.

 

(cp/hb)

Fotos: Witters

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